Corpus of Electronic Texts Edition
Fingen Mac Flainn's Gedicht auf die Fir Arddae (Author: [unknown])

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Fingen Mac Flainn's Gedicht auf die Fir Arddae

Das hier zum ersten Male herausgegebene Gedicht besitzen wir, so viel ich weiß, nur in zwei Handschriften, von denen jedoch eine leider nur eine wörtliche Abschrift der anderen ist. Die Haupthandschrift befindet sich auf S. 35–37 des Pergamentkodex H. 3. 18 (H) in der Bibliothek von Trinity College. Daher stammt die Abschrift Edward O'Reilly's in Egerton 175, fo. 5a (E).

In H wird unser Gedicht in einem Traktat über trefocla d. h. technische Fehler, die in der Dichtkunst zu meiden sind, als ein Beispiel von trefoclach focrai fadesin aufgeführt. Derartiger Traktate sind uns mehrere überkommen. Thurneysen zählt sie in seinen Irischen Verslehren ( Irische Texte III, S.126) auf. Von zwei solchen im Buch von Ballymote enthaltenen Abhandlungen citiert eine (S. 308a) die beiden ersten Strophen unseres Gedichtes, während die zweite (S. 331b) es nicht erwähnt, obgleich sie sonst mit dem in H enthaltenen Traktat übereinstimmt. In einer dritten im Buch von Leinster (S. 37) befindlichen Abhandlung werden zwei andere Strophen citiert (44 und 45 meiner Ausgabe, aber in umgekehrter Reihenfolge), und zwar als Beispiele des Fehlers brecc i fochanar.1 Der Dichter Fingen mac Flaind ist in den Annalen nicht erwähnt.2 Doch läßt sich seine Periode annähernd durch das Todesjahr seines Pflegevaters Dubdartach Béirri (d. h. von


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Beare)3 bestimmen, der nach den Three Fragments of Annals im Jahre 867, nach den Vier Meistern 865 starb. So hat O'Reilly Irish Writers, S. lv, wohl Recht, wenn er seine Blütezeit um das Jahr 850 ansetzt. Dagegen ist er arg im Unrecht, wenn er unser Gedicht, dessen Anfangszeile er citiert, als einen Hymnus auf die heilige Dreifaltigkeit bezeichnet. Es beginnt zwar mit einer Anrufung der Gottheit, an die sich der Barde um Rat wendet, wie er mit den Fir Arddae, einem Stamme im Westen von Munster,4 verfahren soll, die ihm den gebührenden Preis für ein Lobgedicht verweigert haben. Aber der Hauptinhalt des Gedichtes ist ein wohlgefälliges Spiel des Dichters mit dem Gedanken, daß er die Strafwürdigen mit seinem Zorn und Spott vernichten kann, wenn er will. Er stellt die Sache zwar seiner Vernunft anheim (a chíall cubaid! Strophe 11), die zur Versöhnlichkeit mahnt (Str. 14–32); doch kehrt er wiederholt darauf zurück, daß die ihm angetane Schmach eigentlich die schärfste Ahndung verdiene (Str. 45–53), bis er dann zum Schlusse gütlich einlenkt.

Wenn wir bedenken, daß sieben Jahrhunderte zwischen der Abfassung des Gedichtes und unserer Handschrift liegen, so ist die Treue der Überlieferung zu bewundern. Doch bleibt manches dunkel und einiges ist gewiß verderbt, wie die nicht skandierenden Verse zeigen. Auch scheinen hin und wieder Strophen ausgelassen zu sein, da an mehreren Stellen das sonst überall herrschende fidrad freccomail (conachlann) fehlt. Ich vermisse es zwischen Str. 11 und 12, 19 und 20, vielleicht auch zwischen 36 und 37 und 50 und 51, wenn hier nicht t und d zu dieser Art Alliteration genügen, und zwischen 63 und 64. Das Versmaß ist das bekannte dechnad cummaisc. Die Reime lassen sich, wo die Abschreiber sie verwischt haben, leicht und sicher in ihrer Reinheit wieder herstellen, so gúru : cúlu (28), cóim-ur : óinur (37),5 ili: ligi (41) u.s.w.


Liverpool,

Mai 1907
Kuno Meyer