Corpus of Electronic Texts Edition
Eine Variante der Brendan-Legende (Author: Unknown)

p.408

Eine Variante der Brendan-Legende

In seinen Vitae Sanctorum Hiberniae (1910), S. XLI, bemerkt C. Plummer, daß sich eine irische Brendan-Geschichte in vier Handschriften findet, in Egerton 1781, fo. 152d, im Liber Flavus Fergusiorum (II fol. 50v, a nach Gwynn's Bezeichnung) und in zwei Hss. zu Brüssel: 5100-5104, S. 13 und 324-2340 fo. 70b. Ohne mich dieser Notiz zu erinnern, habe ich 1911 die eine der Brüsseler Hss. abgeschrieben und dann Liber Flavus Fergusiorum in Dublin damit verglichen. Michael O'Clery, der Schreiber der Brüsseler Hs. 5100-5104, macht hinter dem nächstfolgenden Stück eine Angabe über seine Quelle: Asan leabhar do scriobh Murchadh o Cuinnhs1 .i. an leabhur do scriobadh gach a bhfuil san catternoe so hi cconueint bratar innsi no2 chuinnche hi Ttuadmumain. 30 Junii 1634.

Der Text enthält—abgesehen von einer ihm eigentümlichen Einleitung—nur vier Abenteuer Brendans: 1. die Osterfeier auf dem großen Fisch; 2. die Beruhigung eines Meeresstrudels; 3. der Blick durch die Türe der Hölle; 4. Judas Ischarioth. Die Schilderung der Qualen in 3. und 4. ist offenbar der Hauptzweck der Erzählers. Er vergißt darüber, daß er anfangs in Aussicht gestellt hat, daß Brendan das Land der Verheißung aufsuchen wird, und bricht nach der Judas-Episode jählings ab. Ein großes Stück der Erzählung findet sich nun wörtlich gleich noch einmal in der irischen Literatur, nälich in dem Brendan-Leben, das in mehreren Hss., aber überall mit fehlendem Schluß auf uns gekommen ist, und das Stokes vornehmlich nach dem Buch von Lismore herausgegeben hat.3 Es entsprechen sich fast genau


p.409

S. 411, 4–414, 20 unseres Textes (also Episode 1–3) mit Zeile 3589–3594, 3601–3608, 3615–3668 von Betha Brenainn. Nicht ganz leicht ist zu sagen, ob dieser Abschnitt aus Betha entlehnt ist. Dagegen könnte man anführen, daß die Strophe 3611–3614 (nebst 3608–10) über die siebenjährige Reise des Heiligen, die mit dem Vorhergehenden im Widerspruch steht und offenbar ein sekundärer Einschub ist, in unserem Text fehlt; doch kann das sekundäre Kürzung sein. Daß umgekehrt Betha aus ihm geflossen wäre, ist schon dadurch ausgeschlossen, daß gerade nur in den übereinstimmenden Abschnitten unseres Textes die Gedichte fehlen, die in den selbständigen, der Einleitung und der Judas-Episode, jeweils der Prosa folgen; für jene war also eine andere Quelle vorhanden. Ferner dadurch, daß die Warnung des Teufels in Episode 3, der Blick in die Hölle ziehe den Tod des Betreffenden nach sich, nur in Betha, nicht in unserem Text sich bewahrheitet; auch durch den S. 418 Anm. 1 erwähnten Fehler, der in Betha nicht vorhanden ist. Höchstens könnte man annehmen, daß beide aus einer gemeinsamen Quelle schöpfen. Das wäre bewiesen, wenn unser Text auch bessere oder altertülichere Lesarten zeigte als Betha. Doch habe ich fast nichts in diese Richtung Weisendes gefunden. Fethnaigis S. 412, 5 ist an sich wohl altertüicher als ro-fethnuig ( Betha 3623), aber doch auch als Neuerung denkbar. So bleibt wohl nur die Lesart (Moighi loma) loiscthecha 'nackte brennende Felder' S. 414, 4, die besser sein dürfte als loisnecha 'voll Kröten' ( Betha 3662). Daraufhin wage ich aber keine Entscheidung.

Im Folgenden gebe ich den Text der Brüssler Handschrift (B); die unbezeichneten Varianten stammen aus dem Liber Flavus Fergusiorum (F), das fehlerhafter geschrieben ist und namentlich in der Beschreibung der Hölle stark gekürzt hat. Die Überschrift lautet in B: Do da apostol dég Eirenn, in F: eir(?) Brenuinn Birre antso. These variant readings are omitted.