Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 12

Februar.

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Wer alles, was im Vorhergehenden gesagt worden ist, zusammen nimmt, und es unpartheyisch überlegt, der wird, weit entfernt, Spencer's Frage zu wiederholen, eine andere, weit


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natürlichere aufwerfen, und diese ist: Ist es nicht erstaunenswürdig, daß, unter diesen Umständen, Irland so viel Schriftsteller aufzuweisen hat, und unter diesen so viele, die eine Zierde der litterarischen Welt sind? — Lassen Sie uns einen Abriß der Schriftsteller machen, die Irland seit einem Jahrhunderte hervorgebracht hat.

Nach dem Erzbischof Usher ist wohl Boyle einer der größten Männer dieses Landes. Er war der siebente Sohn eines Grafen von Cork, und wurde zu Lismore 1626 geboren.161 Er war nicht nur ein großer Philosoph, sondern besaß auch eine Allgemeinheit von Kenntnissen, die ihn zum nützlichen und angenehmen Manne machten. Er hatte lange Reisen auf dem festen Lande gemacht, lange an den Höfen Karls II., Jakobs II. und Wilhelms III. gelebt, und besaß doch eine tiefe, gründliche Gelehrsamkeit, und die Arbeitsamkeit eines Schulmanns. Die Naturlehre hat ihm am meisten zu danken. Die beste Ausgabe seiner Werke ist in fünf Folianten zu London gedruckt worden.

Berkeley wird häufig der Irische Plato genannt, gemeiniglich ist er unter dem Namen des Bischofs von Cloyne bekannt. Er ward 1684, zu Kilerin, einer kleinen Stadt in Irland geboren.162


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Schon 1707 erschien sein Werk über die Arithmetick.163 1710 seine Prinzipien menschlicher Wissenschaft.164 Er schickte von diesem Werke Exemplare an Dr. Clarke und Whiston. Letzterer tadelte ihn, getraute sich aber nicht, seine Subtilität zu widerlegen, und Clarke weigerte sich, es zu thun. Die Meinungen, die er in diesem Werke vorträgt, stossen die Grundpfeiler der Religion über den Haufen, und gleichwohl bekannte er sich Zeitlebens für einen festen Anhänger der christlichen Religion. 1712 erschien sein bestes Werk über die Lehre vom passiven Gehorsam,165 und bald darauf seine drey Dialogen.166 Als er in Italien war, schrieb er verschiedene interessante Briefe an Pope, die Sie in der Sammlung der Briefe dieses letztern finden. Auch trug er verschiedenes zu den periodischen Werken seiner Zeit bey.167 1734 wurde er Bischof von Cloyne. 1752 ging er mit seinem


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zweyten Sohne, Georg, nach Oxford, und besorgte dessen Erziehung. Er beschloß, sein Leben hier zu enden, und legte deswegen sein Bißthum das 1400 Pf. eintrug, nieder. Allein der König nöthigte ihn, es zu behalten, und gab ihm Erlaubniß zu leben wo er wolle. Er zeigte sich durchaus als einen warmen und wahren Christen, war überaus freigebig, edel, liebenswürdig und in seinem Leben untadelhaft. Als Lord Chesterfield Vicekönig in Irland war, bot er Boyle {Berkeley} ein besseres Bißthum an; allein dieser sagte: ‘meine Nachbarn und ich lieben einander; es würde mir schwer werden, mich von meinen Freunden zu reißen, und ich bin zu alt, neue Verbindungen zu knüpfen.’ Und gleichwohl verließ er es für das Beste seines Sohnes. — Swift führte ihn in die Famile der berühmten Mrs. Esther Vanhomrigh (Vanessa) ein; er zog die Aufmerksamkeit dieser Dame auf sich, und sie vermachte ihm 4000 Pf. während daß sie ihren sie verschmähenden Geliebten überging. — Sein Alciphron168 wird als eines der bestgeschriebenen Bücher in der Englischen Sprache betrachtet. — Von seinen Versuchen, die er über die Materie anstellte, und von dem sogenannten Irischen Riesen, der hierher gehört, hab ich Ihnen zu einer anderen Zeit geschrieben.169.


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King, Erzbischof von Dublin wird von vielen für den gründlichern stätigern Philosophen erklärt, als Berkeley. Sein Werk vom Ursprunge des Übels gilt für ein Meisterstück.170 Von seinem Werke über den Zustand der Irischen Protestanten unter Jakob II. sagt Burnet, ‘daß diese Geschichte eben so wahr, als wohl geschrieben sey’.171 Um die Presbyterianer, deren es so viel um Londonderry herum gibt, zur Anglikanischen Kirche zu bekehren, schrieb er eine Abhandlung über Menschenerfindung in der Verehrung Gottes.172 Er und Swift unterhielten eine ununterbrochene Freundschaft, und in ihren Briefen findet man oft, daß King Swift vermahnt, seine Zeit und sein Genie auf ernsthaftere Gegenstände zu verwenden, als diejenigen waren, die er gewöhnlich behandelte. — Er war der Sohn eines armen Müllers in der Grafschaft Tyrone, oder vielleicht Antrim.

Dr. Dodwell, ein bekannter Professor der Geschichte zu Oxford, war ein geborner Ire,


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und hatte seine Erziehung im Trinitäts-Collegium zu Dublin empfangen. Seine Gelehrsamkeit war sehr allgemein, aber seine Meinungen waren bisweilen etwas schwärmerisch. Z. E. Er lehrte, daß die menschliche Seele von Natur sterblich sey, daß sie aber durch die Taufe die Unsterblichkeit erlange. Des Herrn Dr. Priestley Lehre ist, von der philosophischen Seite, dieser ziemlich gleich, so verschieden sie auch von der theologischen seyn mag.173

Leslie von Glaslough war ein Mann von großer Belesenheit und ausserordentlichem Gedächtnisse. Sein Werk gegen die Deisten174 wird für eins der besten, die über diesen Gegenstand geschrieben worden sind, gehalten. —— Man erzählt von ihm eine sonderbare Geschichte, die ihm unter Jakob II. begegnete. Ein Titular-Bischof von Clogher hatte der ganzen Protestantischen Geistlichkeit eine Herausforderung gegeben. Leslie bestund den Kampf, und beide Theile schrieben sich den Sieg zu, denn von denen, die den Streit mit angehört hatten, wurde ein Katholik protestantisch und ein Protestant katholisch.


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Toland war aus Nord-Irland gebürtig, und wurde in der katholischen Religion erzogen; allein schon im sechszehnten Jahre erklärte er sich gegen diese Religion mit einem Eifer, den er nie in der Folge abgelegt hat. Wodurch er sich am meisten bekannt machte, war sein Werk gegen die Geheimniße der christlichen Religion175 — — Früher schrieb er eine Abhandlung, in der er die Geschichte des Römischen Attilius Regulus für ein Mährgen erklärt. Man erklärt ihn für den gelehrtesten unter den Schriftstellern des Unglaubens.

Clayton, Bischof von Clogher, ist durch verschiedene philosophische Werke bekannt.176 Gegen ihn schrieb
Dr. Mc Donnel, der Lehrer am Trinitäts-Collegium zu Dublin war, und als ein berühmter Prediger bekannt ist.

Für theologische Streitigkeiten sind die Iren sehr bekannt; allein sie waren mehrentheils Katholiken, und lebten in katholischen Ländern außerhalb


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ihres Vaterlandes. Peter Walsh ist am meisten bekannt. Burnet sagt von ihm, ‘daß er ein gelehrter und geschickter Mann war, sehr geübt in allen Intriguen und Verfahrungsarten der Jesuiten, und doch ein ehrlicher Mann, und, in Rücksicht auf Controverse, beinahe ein Protestant.’

In der Geschichte glänzen die Irischen Schriftsteller am wenigsten. Man hat eine große Menge Geschichten von diesem Lande, aber die mehresten sind durch Fabeln entstellt, oder durch den Enthusiasmus lächerlich, mit dem sie die älteste Geschichte dieses Landes weitläufig und zuversichtlich vortragen. Hierher gehört z. E. O'Halloran, ein Wundarzt zu Limerik, Keating und andere. — Der Abt Geoghegan hat eine Geschichte von Irland in Französischer Sprache geliefert.177 Sir James Ware wird vorzüglich geschätzt, und Manche setzen ihn dem Engländer Camden an die Seite. Indessen ist er doch mehr ein guter Materialiensammler, als ein wirklicher Geschichtschreiber. Der erste, der von Irland eine Geschichte geschrieben hat, die wirklich diesen Namen verdient, war Dr. Leland, Lehrer an der Dubliner Universität. Allein sein Werk ist lang und zum Theil langweilig, und enthält hauptsächlich nur die Geschichte von Irland, seit es an England gekommen ist. Vallancey wirft ihm


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vor, daß er nicht Irisch verstanden habe, und daß er verschiedene alte und gute Manuscripte die man ihm in dieser Sprache zuschickte, ungebraucht zurück gab. Ich habe dieses auch von andern Personen bestätigen hören. Vor einem Jahre erschien eine Geschichte in zwey octav Bänden, von Crawford, einem Geistlichen. Sie enthält hauptsächlich die neuesten Begebenheiten von Irland; allein man wirft ihm Partheylichkeit vor, und sagt, daß er zu sehr in dem Volunteer-Interesse sey. — O'Flaherty schrieb eine Synchronik der Irischen Geschichte, in der er, von der Sündfluth an, die Geschichte dieses Landes und seiner Könige, mit den allgemeinen Weltbegebenheiten zusammen zu stellen unternommen hat. Was sich davon erwarten läßt, können Sie sich selbst sagen! Ein großer Theil seines Werkes läßt sich auf andere Länder eben so anwenden, als auf Irland.

Lynch,178, M'Mahon179Molyneux ist insgemein bekannter,


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als die mehresten von diesen. Er war Pope's Freund, und ein eifriger Verfechter der Rechte seines Landes. Er that dem Staate verschiedene Dienste, und wurde auch ausser Landes gebraucht. Er saß im Irischen Unterhause unter Wilhelm III. Am Ende der Sitzung wollte ihn der Vicekönig an die Commission stellen, die die Aufsicht über die von der Krone confiszirten Irischen Ländereyen hatte, mit 500 Pf. jährlichem Gehalt. Er schlug es als ein gehäßiges Geschäfte aus. Als Mathematiker und Physiker hat er einen hohen Rang. Er machte verschiedene Erfindungen, und seine Dioptrik wird vorzüglich geschätzt. — Auch sein Sohn, Samuel, ist als ein Gelehrter bekannt; er war Sekretär Georgs II. als dieser Prinz von Wallis war.

Dr. Helsham schrieb ein Handbuch über verschiedene Zweige der Naturlehre180

Dr. Brian Robinson schrieb ebenfalls über die Naturlehre.181


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Sir Hans Sloane, ein Arzt, legte den ersten Grund zu der Sammlung von Merkwürdigkeiten, die man jezt das Brittische Museum zu London nennt.

Ronayne hat über die Algebra geschrieben.182

Dr. Sullivan hat ein Werk über das Lehnrecht und die Verfassung von England183 geschrieben, das seinen Weg in die Welt gemacht hat, obschon Blackstones berühmte Commentarien über die Englischen Gesetze früher erschienen waren, und den Weg zu allem Ruhm, der von dieser Seite zu erlangen war, verschlossen zu haben schienen.184

Francis Hutcheson ist der beste ethische Schriftsteller, den Irland erzeugt hat. Er war in Nord Irland geboren, trat in den Geistlichen Stand, und wurde, bald nach seiner Ankunft zu Dublin allgemein bekannt. Sein bestes Werk ist seine Untersuchung über die Begriffe von Schönheit und Tugend.185 Seine Abhandlung über die Leidenschaften186 wird wegen der


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Sprache und Sittlichkeit auch von denen geschätzt, die seine philosophischen Grundsätze verwerfen. Er war Lehrer an der Dubliner Universität bis 1729, da er die Professur der Moral zu Glasgow annahm. Sein Sohn, ein Arzt, gab nach des Vaters Tode, sein System der moralischen Philosophie heraus. Hutcheson war der erste, der den Ausdruck ‘moralisches Gefühl’ brauchte, und dadurch das Schöne und Anständige des Plato und Cicero verstund.187

Abernethy war ein presbyterianischer Geistlicher. Er war in Irland 1680 geboren, und war eine Zeitlang Prediger zu Antrim; da er aber da in allerhand Streitigkeiten gerieth, ging er nach Dublin, wohin man ihn schon vorher eingeladen hatte. Man hält seine Predigten für eins der besten Systeme der natürlichen Theologie. Sie sind, wenigstens zum Theil, ins Französische übersetzt, und es wird auf verschiedenen Universitäten darnach gelehrt. Abernethy ist der Stifter einer neuen Sekte, die im Grunde unter die allgemeine Presbyterianische gerechnet werden kann; man nennt sie das Neue Licht,


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und ihre Charakteristick ist Arianismus in der Lehre und Unabhängigkeit in den Grundsätzen. Abernethy war ein großer Redner und von allgewaltiger Wirkung. Seine Bewunderer sagen: daß er die Bestimmtheit und Genauigkeit eines Clarke188, den Reichthum eines Barrow189 und die Deutlichkeit eines Tillotson190 in sich vereinigte.

Dr. Duchal191 schrieb ein Werk über die Religion192 und verschiedene Bände Predigten, die wohl aufgenommen worden sind.

Boyce gab Predigten über die vier letzten Dinge heraus, und war Vater des Dichters Samuel Boyse, der ein Pantheon und andere Werke geschrieben hat.

Synge, Erzbischof von Tuam, soll ein Mann von vieler Gelehrsamkeit gewesen seyn. Er ist der Verfasser der Religion eines Mannes vom Stande.193

Story, Bischof zu Kilmore, schrieb Predigten und eine Abhandlung über den Priesterstand194, die sich eben so sehr durch Gelehrsamkeit als christliche Mäßigung auszeichnet.195


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Brown, Bischof von Cork, hat verschiedene Bände Predigten geschrieben, doch war er berühmter durch Vortrag, als durch Ausarbeitung. Von ihm erzählt man, daß, als er vor der Königin Anna über die Worte ‘nie redete ein Mann so wie dieser Mann’ predigte, die Königin diese Worte auf ihn anwendete.

Delany's Predigten über die gesellschaftlichen Pflichten196 sind vortreflich; und man bewundert sie um so mehr, da der Mann, der sie schrieb, in gewissen Punkten ein Schwärmer war. Er schrieb z. E. ein Buch, daß das Blutessen eben so sündlich sey, als irgend eine andere Übertretung der zehn Gebote. Allein seine Einleitung in die geoffenbarte Religion197 wird geschätzt und von vielen für eins der besten deklamatorischen Werke in der Englischen Sprache gehalten.

Dr. Lawson war ein berühmter Canzelredner zu Dublin. Seine Predigten erschienen nach seinem Tode; allein seine Vorlesungen über die Redekunst, die er im Trinitäts-Collegium hielt, gab er selbst heraus; sie verrathen seinen klassischen


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Geschmack, dichterisches Gefühl, und eine genaue Kenntniß mit der Canzelberedsamkeit.

Orr hat einen Band Predigten heraus gegeben, die voll von originalen Gedanken, mit einem Geist und männlichem Stile geschrieben sind.