Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 10

Februar.

10

Als einen der Beweise für das Alterthum von Irland giebt man auch endlich folgenden an: ‘Wissenschaften und Gelehrsamkeit blüheten in diesem Lande zu einer Zeit, in der das übrige Europa in


p.393

der tiefsten Unwissenheit lag.’150 Ohne hier zu untersuchen, wie weit dieses ein Beweis für das

p.394

Alterthum eines Landes sey, oder nicht, will ich Ihnen mittheilen, was ich hierüber aufgefunden habe. Der Punkt ist in sich selbst so interessant und enthält so manches wenig Bekannte, daß Ihnen einige Nachrichten darüber, als litterarische Nachrichten, willkommen seyn werden.

Es war eine Zeit, in der Irland einen größeren Antheil von Gelehrsamkeit besaß, denn irgend ein anderes Land zur nämlichen Zeit. Zeugnisse der Ausländer sind, in diesem Punkte, von größerem Gewichte als Zeugnisse Irischer Schriftsteller.

Beda, ein Engländer, der im achten Jahrhunderte lebte, spricht von Irland, als dem großen litterarischen Marktplatze, den Leute aus allen Theilen von Europa besuchten. — Camden, ein Engländer des sechzehnten Jahrhunderts, der durch sein Werk Britannia berühmt ist151, sagt: ‘Irland hatte eine Menge glänzender Genies in


p.395

einer Zeit, in der, in andern Ländern, Litteratur in tiefer Vergessenheit lag. Unsere Schriftsteller führen es in der Erziehung eines Mannes gewöhnlich als einen für ihn vortheilhaften und rühmlichen Umstand an, daß er, der Wissenschaften wegen, nach Irland ging. Und in Sulgens Leben, der vor 600 Jahren berühmt war, lesen wir:’
    1. Nach seiner Väter Beyspiel, von Wißbegierde bewogen,
      Gieng er nach Irland, das durch Gelehrsamkeit berühmt war.152

Der jüngere Scaliger sagt, daß zu Carls des Großen Zeiten, und 200 Jahre nachher, fast alle gelehrte Männer153 Iren waren. — Camden und anderen zufolge, waren es Irische Mönche, die folgende Abteyen stifteten, Luxieu {Luxeuil} in Hochburgund, Roby in Italien, Würzburg in Franken, St. Gallen in der Schweiz, Malmsbury


p.396

und Lindisfarne in England, und Iona oder Hy in Schottland. Füeßlin in seiner Schweizergeographie154 behauptet, daß Gallus, der Stifter von St. Gallen, schon 640 starb. — Beda führt an, daß Oswald, der Angelsachse, sich an Irland wegen gelehrter Männer wendete, die sein Volk in der christlichen Religion unterrichten sollten. — In Rapin's Geschichte von England findet sich folgende merkwürdige Stelle; ‘Es ist höchst sonderbar,’ sagt er, ‘daß man die Bekehrung der Engländer lieber dem Augustin zuschreiben möchte, als dem Aidin, dem Fintan, dem Coleman, Cedd, Diumna, Furseus und anderen Irischen oder Schottischen Mönchen, die zuverlässig mehr darzu beytrugen, als er.’ — Die Antwort auf Rapins Frage ist leicht: Augustin war von Rom ordinirt, die andern nicht; und so durften sie keinen Antheil an dem Ruhme eines so großen Werks haben. — Übrigens macht Rapin hier Irisch und Schottisch zu gleichbedeutenden Worten: ein Umstand, der im Vorhergehenden aufgeklärt worden ist.

Die ersten Professoren auf der Universität von Paris waren Iren: und es ist eine allgemeine Sage, daß der Englische König, Alfred der Große, für sein neugestiftetes Collegium zu Oxford, Professoren aus Irland kommen ließ. Eine Menge Orte auf dem festen Lande erklären, noch heut zu Tage, ihre Schutzheiligen für Iren.


p.397

10

Auf der Universität Armagh in Irland sollen oft etliche tausend Studenten auf einmal gewesen seyn; und es gab noch andere gelehrte Schulen, die nicht weniger berühmt waren.

Um Ihnen ein etwas vollständigeres Verzeichniß von Irischen Gelehrten aus den alten und mittleren Zeiten zu geben, so will ich Ihnen folgende noch namentlich anführen.

Im fünften Jahrhundert lebte Sedulius, der seinen Unterricht in Irland von Hildebert, der selbst ein Gelehrter von Verdienst war, erhielt, und nachher in Frankreich, Italien und Asien reisete. Er schrieb in lateinischer Sprache vierzehn Bücher über die Paulinischen Briefe, einen Ostergesang in Versen, in vier Büchern, einen Hymnus über die Wunder Christi und verschiedenes andere in Prose.

Columb-cill, im sechsten Jahrhunderte, stammte aus königlich-Irischem Blute, und war der Apostel der Picten und Stifter der Abtey Hy. Seine Gedichte schmeckten ein wenig nach dem Mönche, aber sein Prose ist gut Latein und voll von gesunder Urtheilskraft. — Bridget (Brigitta) war aus der Grafschaft Louth und lebte in Kildare, wo sie Äbtissinn eines Klosters war, das sie selbst gestiftet hatte. Sie schrieb eine Regel


p.398

für die Nonnen, eine Epistel über das Reisen, ein Gedicht über St. Patrick und über die Wünsche der Frommen. — Congall war der Stifter eines ansehnlichen Klosters, für welches er Instituten schrieb, die man noch hat, nebst einigen anderen Werken.

Columba im siebenten Jahrhunderte war aus Leinster, studirte unter Silenus in Irland, predigte in England das Evangelium, stiftete einige Klöster in Frankreich und zuletzt Bobi bei Neapel.155 Er schrieb Commentarien über die Bibel, Predigten und Homilien. — Sein Nachfolger, gleichfalls ein Ire, war Finan; er belehrte den Ostsachsen Sigibert und seinen Hof und schrieb ein Buch über das Passahfest. — Furseus lehrte den Ostangeln das Christenthum, stiftete verschiedene Klöster und schrieb über das Klosterleben. — Arbogast errichtete ein Kloster zu Hagenau im Elsas und wurde zuletzt Bischoff zu Straßburg. — Adamnanus schrieb ein Leben des Columb-cill, ein Leben einer fränkischen Königinn, Gedichte, eine Beschreibung des heiligen Landes und Briefe. — Cuthbert, der Sohn


p.399

eines kleinen Irischen Königes, war einer der würdigsten Männer seiner Zeit. Sein Schriften betreffen größtentheils das Klosterwesen. — Coleman ist einer von denen, die im siebenten Jahrhunderte so viel über die Osterfeyer und die Tonsur stritten, wovon auch seine Schriften größtentheils handeln.

Im achten Jahrhunderte lebte Sedulius der jüngere; er hielt sich unter Gregor dem II zu Rom auf, war hernach Bischoff in Spanien, wo er eine Geschichte der alten Iren schrieb, wovon Sir John Higgins, Leibarzt Philipps V, das Manuscript hatte. — Virgilius (Irisch Fergil) mit dem Zunamen Solivagus, war Bischoff zu Salzburg, und für seine Zeit ein Mann von ungewöhnlicher Gelehrsamkeit. Schon er hatte zum Theil das Schicksal, das viele Jahrhunderte nachher den Galileo Galilei traf und — für die nämliche Sache. Schon er lehrte, daß wir Gegenfüßler hätten, daß die Erde rund sey, und daß es außer unserer Erde noch andere Planeten gäbe. Der Pabst sprach denn Bannfluch über ihn und sein Buch aus.

John Scot Eriugena im neunten Jahrhundert ist, wie einige behaupten, der erste, der gegen die Transsubstantiation geschrieben hat, er ist auch durch andre Werke bekannt,156 und schrieb


p.400

in einem Stile, der den schönern Zeiten der Literatur nicht unwürdig ist. Er muß mit einem andern Scot nicht verwechselt werden, dessen Geburtsort Duns in Schottland gewesen seyn soll, weswegen er insgemein Duns Scotus genennt wird.

So unbedeutend auch viele der Schriften aller dieser Irischen Gelehrten seyn mögen, so zeigen sie doch eine allgemeine Kenntniß der lateinischen Sprache, das Studium der heiligen Schrift und anderer Dinge, zu einer Zeit, in der das übrige Europa in Unwissenheit lag. — Probestücke von Irischer Schreibart in den mittleren Zeiten kann man in Menge in Ushers Sammlung Irischer Briefe finden.157

‘Wie kommt es denn,’ fragt Spencer, ‘daß die Wissenschaften jetzt so wenig unter den Iren blühen, da sie so frühzeitig Gelehrte hatten?’ Auf diese Frage giebt er keine Antwort. — Mancher vaterländisch gesinnte Ire möchte uns vielleicht überreden, daß zu allen Zeiten ein eben so hoher Grad von Aufklärung in Irland herrschte, als in irgend einem andern Lande, während daß David Hume sagt: daß die Iren vom Anfange


p.401

bis auf unsere Zeiten in tiefster Unwissenheit gelegen, und daß die Einfälle der Dänen und Normänner, welche Barbarey über andere Theile von Europa verbreiteten, für Irland eine Art von Aufklärung gewesen wären.

Das eine ist eine übertriebene Lobrede, das andere eine hämische Carricatur! Beyde Theile müssen also unrecht haben. Gelehrsamkeit und Wissenschaften, die sehr frühe in Osten tagten, haben zeither ihren Weg beständig gegen Westen genommen, und wir können noch immer, ob schon ein Teil von Asien in Barbarey zurückgesunken ist, ihren Weg durch Chaldäa, Ägypten, Phönicien, Griechenland, Sicilien, Italien, Gallien und Britannien bezeichnen. Wir finden in allen diesen Ländern Spuren, daß Aufklärung ehemals auf einen gewissen Grad allgemein war. Da wir nun diese Spuren in Irland nicht finden, so wäre es höchst ungerecht, anzunehmen, daß es über diesen Grad von Aufklärung schon hinaus sey. — Wir haben keine Thatsachen, durch die sich beweisen ließe, daß Irland, selbst in der Zeit ihrer blühenden Gelehrsamkeit, jemals eine allgemein ausgebildete und aufgeklärte Nation gewesen sey. Ihre Gelehrten, ferne von der Welt, eingeschlossen in Klöstern und Studierzimmern, waren keine tüchtigen Werkzeuge, die Wildheit der Nation zu mildern, die Sitten auszubilden, die Künste im


p.402

bürgerlichen Leben zu verfeinern, und ihren Einfluß auf das Ganze der Nation zu verbreiten. Es ist dem Mönchsgeiste eigenthümlich, so wie überhaupt dem Aberglauben, die Seele einzuschränken, anstatt sie zu erweitern, und große Flecke unbekannten Landes auf der Carte menschlichen Wissens zu lassen.

Allein der Einfluß, den die politische Verfassung auf den Charakter und die Sitten des Volkes in Irland hatte, war noch schlimmer, als der Einfluß der kirchlichen und klösterlichen Verfassung. Ein leichter Abriß davon wird dies hinlänglich zeigen.

Jede Provinz hatte ihren König, der gewählt wurde. Diese vier Könige hatten eine Menge kleiner Könige unter sich, während daß sie selbst insgesammt unter dem Hauptkönige stunden, der von den vier Provinzialkönigen erwählt wurde. Bey allen Wahlen, man mochte nun einen Haupt-König, oder Provinzialkönig, oder einen Unterkönig machen, war die Gewohnheit, ein Haupt zu wählen, das der nächste in der Würde war und zugleich als Nachfolger betrachtet wurde; und bey der Wahl dieses letztern sahe man wenig auf Erstgeburt. Man nannte ihn Thanist, und die Gewohnheit Thanistry. Man zog den Bruder des verstorbenen dem Sohne vor, und selbst der


p.403

nächste Verwandte wurde manchmal, mit Ausschließung beyder, gewählt, wenn man ihn der Stelle würdiger hielt. Die einzige festgesetzte Regel war, die Wahl auf die nämliche Familie oder Stamm einzuschränken. Der Zweck dieser Einrichtung war, alle Personen von der Erbfolge auszuschließen, die nicht im Stande waren, das Volk in der Schlacht anzuführen; und auf der andern Seite, zu verhindern, daß die Erbschaft oder Regierung an Fremde käme, die sich etwan in einer Minderjährigkeit, oder unter der Regierung eines schwachen Kopfes, Macht hätten erschleichen mögen. Diese Einrichtung war nun sehr gut, alle willkürliche Gewalt zu verhindern und die kriegerische Würde eines Stammes zu erhalten; allein sie war gegen Billigkeit und der öffentlichen Ruhe höchst nachtheilig, indem sie nichts als Intrigen und Cabalen, Uneinigkeit, Gewaltthätigkeit und Blutvergießen hervorbrachte. Die Erfahrung zeigt dieses klar, denn die Geschichte von Irland bietet dem Leser wenig andere Scenen an, als bürgerliche Kriege, innere Erschütterungen, Familienpartheyen und Blutvergießen.

Die Regierung von Schottland war anfangs nach dem Muster der Irischen eingerichtet; und ob sie schon dadurch, daß die Könige zum Erbrecht kamen, verbessert wurde, so finden wir


p.404

doch, daß von den drey Königen kaum einer eines natürlichen Todes starb. Robertson sagt: ‘Ein unglücklicheres Geschlecht giebt es nicht, als die Schottischen Könige’! und Harrington, dessen ganzer Zweck war, die monarchische Regierung verhaßt zu machen, wählt die Verfassung von Schottland, als die schlechteste aller königlichen Regierungsarten.158

Unter einer so stürmischen Regierung ist es natürlich, daß die Künste des Friedens nur einen langsamen Fortgang hatten. Indessen hatten sie doch einigen, ehe die Dänen das Land verwüsteten und die Engländer es anfielen; allein in Schottland weiß man, in der nämlichen Zeit, von gar keinem. Ja die Iren könnten Hume herausfordern, einen Schottischen Schriftsteller vor dem fünfzehnten Jahrhunderte aufzubringen, der den Irischen Schriftstellern des sechsten und siebenten Jahrhunderte an die Seite gestellt werden könnte.

So viel für Spencers Frage! Eine andere ist: würde Spencer noch die nämliche Frage aufwerfen, wenn er jetzt lebte? Zuverlässig hat sich Irland, seit seiner Zeit, sehr geändert. Ordnung und regelmäßige Regierungsform sind auf Anarchie und Verwirrung gefolgt; und selbst die gegenwärtigen Unruhen, die sich überdies vielleicht bald enden werden, sind mehr die Unruhen eines


p.405

civilisirten, scharfsinnigen, sich selbst fühlenden und nach Erweiterung seiner Rechte trachtenden Volkes, als Unverstand, Wildheit und Ausgelassenheit einer zügellosen Menge. Nur ein Theil der Nation ist darinne begriffen, und dieser Theil, so egoistisch und so wenig patriotisch auch einige seiner Anführer seyn mögen, so unbillig sie sich auch in gewissen Forderungen zeigen, und so wenig auch ihr Plan auf das wirklich wahre Wohl des Landes und auf allgemeine Glückseligkeit abzwecken mag: so hat sich doch dieser Theil, in vielen Betrachtungen, mit Mässigkeit betragen, ist mit wohl überlegten Schritten fortgegangen, und hat sich nie gegen die Krone erklärt. Ich rede hier nicht von den Ausschweifungen, die ein Theil des niedrigen Pöbels begangen hat! Die Reformatoren haben freylich den ersten Anlaß darzu gegeben; aber viele derselben haben sich heftig gegen alle Gewaltthätigkeiten erklärt und zum Theil thätig dagegen gesetzt. Und endlich ist der Pöbel sich überall mehr oder weniger gleich; man hat die Wirkungen davon nur vor vier Jahren in der Hauptstadt gesehen, als Lord George Gordon vorgab, daß die protestantische Religion in Gefahr sey. Und wenn der Irische Pöbel schlimmer seyn sollte, als der Englische, so findet man Ursachen genug darzu in seiner äußersten Armuth, im Mangel an Ressourcen und in dem daraus entstehenden Müßiggange, oder, wenn Sie wollen, in

p.406

seiner ihm eigenen Trägheit und dem daraus entstehenden Mangel an Nahrung; in der unbeschreiblichen Unwissenheit, in der besonders der catholische Theil desselben schmachtet; in seiner Meynung, daß England seine Insel vernachlässigt, von Vortheilen, die es selbst besitzt, ausschließt, und kurz, daß alle ministerialische Maaßregeln einzig und ausschließend für das Beste von England abgezweckt sind.

Es hat sich also seit Spencers Zeiten vieles geändert; die Vornehmen und Reichen haben Geschmack und ausländische Eleganz ins Land gebracht; Lektüre ist allgemeiner; Schulen sind geöffnet und verbessert; eine Universität gestiftet worden, und eine Menge Iren waren und sind eine Zierde der litterarischen Welt. — Auf der andern Seite muß man nun aber wieder bedenken, daß Irland, seit Spencers Zeiten, zwey bürgerliche Kriege hatte, daß, wenn man Schulen errichtet hat, diese noch immer nur in kleiner Anzahl sind, und die Erziehung darinne so hoch zu stehen kommt, daß sie mehr für die Vornehmern und Reichen, als für das Land im Ganzen sind; daß zwar eine Universität gestiftet worden ist, aber daß sie, im Verhältnisse gegen das ganze Reich, nur eine kleine Anzahl Studirender zuläßt. (Sie erinnern sich hier, lieber Freund, der Verfassung einer Englischen Universität, wo, so wie auf der


p.407

zu Dublin, Studiren sehr kostbar ist, wenn man nicht Mitglied irgend eines Collegiums werden kann.) Endlich muß man bedenken, daß von zwey und einer halben Million Menschen (ich berufe mich hier auf das, was ich Ihnen sonst über die Bevölkerung von Irland geschrieben habe) wenigstens zwey Dritthel Katholiken sind, die, von allen Vortheilen der Verfassung des Landes ausgeschlossen, nicht die geringste Versuchung haben, sich den Wissenschaften zu widmen, wenn ihnen auch der Zugang darzu nicht verschlossen wäre.

Ich glaube, ich habe Ihnen schon vergangenes Jahr geschrieben, daß die mehresten Katholiken in Irland über alle Begriffe von Armuth arm sind; daß es wenig Mittelstände unter ihnen giebt, und daß diese Mittelstände im Ganzen so wenig Vermögen haben, daß die katholische Geistlichkeit hier so unwissend, und die Vorurtheile gegen eine protestantische Schule so groß sind, daß an keine regelmäßige Erziehung der Jugend zu denken ist. Die reichern Katholiken schicken ihre Kinder nach Frankreich, wo sie, in einer Klostererziehung, selten ihre Vorurtheile ablegen, ihren Ideenkreis wenig erweitern, und von wo sie ohne viel Geschmack für die Wissenschaften wieder zurückkommen.


p.408

10

Freilich hatte das Irische Parlement, in Rücksicht auf die Katholiken, seit drey und vier Jahren Grundsätze angenommen, die sehr von denen verschieden sind, die man seit hundert Jahren befolgt hat. Man widerrief einige harte Gesetze, unter denen seit Wilhelm III die Katholiken geseufzet hatten; man gab ihnen einen größern Antheil an den allgemeinen Rechten eines Bürgers, und sie würden ohne Zweifel wichtige Vorrechte erhalten haben, wären die letzten Unruhen nicht darzwischen gekommen. Männer, die genau den Geist der gegenwärtigen Zeit kennen, Parlementsglieder und andere haben mich versichert, daß die Katholiken nie vorher so schöne Aussichten hatten, und daß das, was sie vielleicht zunächst würden erhalten haben, Antheil am Kriegsdienste sey, da jezt ein Irischer Katholik nicht eine Officiersstelle bekleiden kann. — Die gegenwärtigen Unruhen haben alles wieder zurück gesetzt. Die Presbyterianer und die Schaar der Unzufriedenen überhaupt möchten, um die Katholiken in ihre Parthey zu bringen, alles für sie erhalten, während daß die entgegengesetzte Parthey, unter denen Viele sonst sehr gut gegen die Katholiken gesinnt waren, aufmerksam wird, und einen völligen Umsturz der alten Verfassung des Landes befürchtet. Jeder sieht die Sache nach seinen eigenen Begriffen an. Der Mächtige fürchtet eine völlige Veränderung des Parlementarischen


p.409

Interesse; der Furchtsame und Ängstliche ist für die Protestantische Religion besorgt; der Egoist zittert für seine eigenen Vortheile, während daß man die anderen zu vermehren sucht: und Alle treten zurück, und scheuen sich, eine Parthey ferner zu begünstigen, deren Anzahl zwey Drittheil der ganzen Nation ausmacht. Die Katholiken stehen unentschlossen zwischen Beiden; sind unter sich selbst nicht ganz einig, erklären sich bald mehr oder weniger, nehmen bald mehrern oder wenigern Antheil, und — werden am Ende wohl am meisten leiden.

Vergeben Sie mir, lieber Freund, diese Ausschweifung, die vielleicht hier nicht am unrechten Orte steht, und lassen Sie mich in dem folgenden Briefe wieder zur Litterarischen Lage von Irland zurückkehren.