Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 10

Jenner.

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Sollten Sie nun, lieber Freund, in den Untersuchungen über die Celten etwas Wahres gefunden


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haben, so werden Sie mit mir fragen: ob man diesen Celten nicht noch weiter zurück nachspüren kann? Und für die Beantwortung dieser Frage hat Pezron reichlich gesorgt. Aus diesem also, mit Vallancey's und einigen andern Zusätzen, geb ich das Übrige, so kurz, als sich so etwas geben läßt. Erinnern Sie sich, daß Pezron ein ehrenwerter Mann war, und daß der größte Fehler, den seine Zeitgenossen an ihm fanden, der war, daß seine Welt ein wenig älter ist, als andere Leute nach ihren Ausrechnungen sie haben wollen.

Japhet's ältester Sohn war Gomer. Von ihm stammen die Gomerier; von diesen die Sacae, von den Sacae die Titanen, und diese letztern waren kein anderes Volk, als das, welches unter den Namen Kelts, Keltä, Celts, Celtae, Kalatae Galatae, Kalli, Galli, Guithi, Guideli, Gadelians und funfzig andern, die Welt füllte. — Unzählige Stellen der heiligen sowohl als Profanschriftsteller zeigen, daß es Japhets Nachkommen waren, die beynahe die ganze Erde bevölkerten. Ich glaube, dieser Satz läßt keinen Zweifel übrig.

In der Mosaischen Geschichte finden wir, daß bis auf die Sprachenverwirrung die damals bewohnte Welt nur eine Sprache hatte. Nunmehro


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aber verließen die Menschen das Land Sinear oder Babylon und zerstreuten sich mit großer Schnelligkeit in alle Theile der Erde. Die Häupter der Familien oder Stämme fiengen nun an, eben so viele Nationen zu formiren. Die Kinder Sem's zum Exempel, die in der Bibel Elam, Assur, Arphachad, Aram etc. heißen, waren vor der Sprachenverwirrung weiter nichts als Familien, nun aber wurde jede dieser Familien eine Nation. Von Elam kamen die Elamiten, von Assur die Assyrer etc. Dem Japhet werden im 1sten Buche Mosis X. 2. etc. sieben Söhne gegeben, wovon Gomer der älteste war. Magog, der zweyte, wird als der Stammvater der Völker der großen Tartarey betrachtet; Madai, der dritte, als der Vater der Meder, die wir häufig in den Propheten finden. Gomer, der älteste, war gewiß auch der Stifter eines Volkes, und dies kann kein anderes als die Gomerier seyn, von denen, wie Josephus sagt, die Celten abstammten. Die Celtische Sprache war also anfangs die Sprache der Gomerier in Asien, die in den Gegenden wohnten, die man nachher Hircania und Bactriana nannte. Wenn sie aber Gomers Sprache war, so mußte sie aus den Zeiten der Sprachenverwirrung herstammen. — Die Gomerier, welche in Margiana wohnten, hatten allerhand Streitigkeiten unter einander, und ein Theil derselben wurde von den andern vertrieben,

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gieng über die Gebirge, die diesem Lande gegen Süden liegen, und kam in eine Gegend, die ihnen neu und fremd war. Diese Vertriebenen wurden in der Folge Parther genannt, und von diesen stammten die Völker in Carmania, und vielleicht auch die Perser zum Theil ab. Herodotus und Strabo brauchen die Worte Carmanier und Germanier, (beyde Worte bedeuten in der Celtischen Sprache kriegerische Leute) die im Grunde Gomerischen Ursprungs waren. ‘Und daher,’ sagt Vallancey, ‘kommt die große Ähnlichkeit mit der Irischen Sprache.’

Die Gomerier bekamen in der Folge den Namen Sacae, und vermehrten sich so sehr in Oberasien, daß verschiedene Colonien ausgeschickt wurden, wovon ein Theil sich in Großarmenien niederließ. Hier entstund Seastena, das heißt, das Land der Sacae. Es kamen aber auch viele Chaldäer in die Armenischen Gebirge. Mit diesen mischten sich die Sacae; und hier war es, daß sie jene Künste lernten, aus denen der Aberglaube von Zauberey, Wahrsagen, Auguration, Beschwören, und kurz, das ganze Heer der schwarzen Künste entstand, für welche die Sacae so berühmt waren.

(Erinnern Sie sich hier, daß ich Ihnen in meinem Abrisse der alten Irischen Geschichte von


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einer Colonie schrieb, die aus den Gegenden des schwarzen Meeres nach Dännemark und Norwegen wanderte, und von da nach Irland übergieng; daß sie große Hexenmeister waren, ihrer schwarzen Künste wegen sich in Dännemark und Norwegen ein großes Ansehen erworben hatten, und daß die es waren, die den Stein des Verhängnisses hatten, den man nun in der Westmünsterabtey zeigt.)

Die Perser und Carmanier (oder Germanier) hatten häufige Colonien aus Oberasien von einem Volk erhalten, das man Daes, Daö, Dai hieß. Diese Daes waren selbst Gomerier, und hießen in der Folge, da sie nach Europa gingen, Dacier. Von diesen Daciern und den Phrygiern stammten die Teutones ab.

Diejenigen Sacae, die sich in Armenien niedergelassen hatten, wanderten häufig nach Cappadocien und nicht lange nachher nach Oberphrygien, unter ihrem Anführer Aemon und dessen Bruder Doeas, der vermuthlich sein Augur oder Zauberer war. Alle diese wandernden Colonien aber stammten, sowohl als die Phrygier, von dem nämlichen Gomer ab, von dem die Gomerischen Sacae am schwarzen Meere stammten; denn der Urvater der Phrygier war Ascenas, der in der Schrift als Gomers ältester Sohn genannt ist. Die Gomerischen Sacae waren die Vorältern der


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Celten, und die Phrygier die Vorältern der Teutoner oder Germanier; folglich haben diese letztern und die Celten den nämlichen Ursprung, nämlich von Gomer. Und hierinne liegt die Ursache, warum die Celten und die alten Germanier so viel Ähnlichkeit in ihren Sitten, Gewohnheiten etc. hatten.

Nachdem die Sacae eine Weile in Phrygien gelebt hatten, änderten sie, unter der Regierung des Uranus, Sohne des Aemon, ihren Namen, und nannten sich Titanen. Titan aber oder Tition ist in der Irischen Sprache eine der Benennungen der Sonne, und Bart-tithion bedeutet ‘geboren, oder abstammend von Titan, oder der Sonne’, und ist zugleich die Wurzel für das Wort Parthian. — Dieser Umstand stimmt vollkommen mit der Götterlehre der Griechen überein, welche nicht nur ihren Apollo — Titan nannten, sondern auch von den Titanen erzählten, daß sie Söhne der Sonne seyen. — Der Name der Titanen wurde unter der Regierung der Saturnus und seines Sohnes Jupiter berühmt, unter welchem sie sich bis nach Griechenland, Sicilien, Italien, Gallien und Spanien ausbreiteten. Die Griechen also, das heißt, diejenigen, welche vor Hellenus und Deucalion herüber kamen, waren ursprünglich Titanen. Die ältesten Völker Italiens waren Celtischen Ursprungs, als die Umbrier und Sabiner:


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folglich sind Griechen und Italier Celtischen Ursprungs und stammen insgesammt von den Titanen ab, die in der Folge besser unter dem Namen Celten bekannt sind.

Ich gestehe, lieber Freund, daß in diesen Briefen hin und wieder einiges ist, von dem Sie und ich nähere Beweise fordern würden, um mit gutem Herzen daran zu glauben. Allein Sie bedenken, daß ich hier ein System vortrage, und ein System, das nur einige Seiten einnimmt, während daß wir Systeme über Steine und Erdarten haben, die dicke Quartanten füllen. Und am Ende, dünkt mich, ist es eben so interessant, zu träumen, woher Deutsche, Römer, Griechen und Iren stammen, als woher Berge, Steine und Erdschichten kommen mögen.

In einem Werke, das ein Mitglied der Londoner antiquarischen Gesellschaft, in unsern Zeiten, über die ersten Einwohner von Europa149 geschrieben hat, findet sich, zwar nicht ganz, aber doch ohngefähr die nämliche Meynung. Der Verfasser bevölkert Europa aus dem nördlichen Asien, sonst genannt Scythenland. Aus diesem


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wanderten Colonien gegen Abend, und ließen sich unter dem allgemeinen Namen Cimmerier (Cimbrer) am schwarzen Meere nieder; und von diesen wurde vermuthlich Europa bevölkert. Die Griechen waren Scythen, ob schon die Worte Scythe und Barbar in der Folge gleichbedeutend wurden. Ihre Götter selbst waren Scythisch. ‘Indessen,’ sagt dieser Verfasser, ‘ist es gleichgültig, ob die Titanen ursprünglich Scythen oder Phönicier waren: genug, sie waren Fürsten, besaßen ansehnliche Länder, hatten großen Einfluß auf die Begebenheiten in Europa, und dieser Welttheil hatte, zu ihren Zeiten, vermuthlich nur eine gemeinschaftliche Sprache, und von dieser findet man die Überbleibsel noch itzt in Biscaya, Armorica, Wallis und Irland.’

Ich habe nun nichts mehr zu thun, als eine Stelle des 1sten Buches Mosis X. 3. 4. 5 mit der Geschichte der Celten zu vergleichen. — Nachdem Moses Japhets Kinder und einige ihrer Nachkommen genannt hat, sagt er: ‘Von diesen sind ausgebreitet die Inseln der Heiden in ihren Ländern, jegliche nach ihrer Sprache, Geschlechtern und Leuten.’ — Durch die Inseln der Heiden werden nach der Sprache der Bibel, Seeländer oder Provinzen verstanden, das heißt, alle Länder, in die man zur See gehen muß, als Griechenland, Italien, Gallien, Spanien.


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Daß in dieser Stelle durch die Inseln der Heiden nichts anders zu verstehen ist, ist schlechterdings klar. Moses führt bei den andern Nachkommen Noah's keine Inseln an, ob er schon von dem Antheile eines jeden etwas sagt. Und selbst diejenigen, die an Moses nicht glauben, räumen ein, daß die Erde von Asien aus bevölkert worden ist. Mich dünkt, es ist eine ganz besondere Art von Verkehrtheit, die Mosaische Geschichte nicht anzunehmen, da niemand eine bessere geliefert hat. Und überdies hat man immer gefunden, daß unter allen möglichen Systemen keins so sehr mit alter Geschichte, Alterthümern und gesunder Vernunft übereinstimmt, als das Mosaische. — Bevölkert sind diese Länder einmal geworden; und ich sehe nicht, warum wir sie nicht lieber durch Japhets Nachkommen wollten bevölkert seyn lassen, als durch andere, da Moses ausdrücklich Inseln nennt. Hierzu kommt nun noch Josephus, welcher sagt, daß die Gomerians diejenigen seyen, welche man nachher die Gallier oder Celten nannte.