Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 7

Jenner.

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Ich komme nunmehro auf eine ganz andere Art von Untersuchungen, die sich hauptsächlich auf Etymologie und Sprachkenntniß gründet, und worinnen ich einzig und allein dem Herrn Vallancey folgen werde.


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Ich weiß, was man gegen die Etymologie überhaupt, und mit Recht sagt. Sie ist ein litterarischer Auswuchs, führt selbst den Gelehrtesten oft irre, und setzt den Weisesten bisweilen dem Gelächter aus. Und doch ist sie und kann sie in gewissen Dingen die einzige Leiterin seyn. Wenn ich alles zusammen nehme, was ich über eine Menge Irische Worte gelesen und gehört habe, so scheint es, daß in Irland fast jede Stadt, jede Strecke Landes, ja, fast jeder Hügel seine Benennung von irgend einer Begebenheit des Ortes, von irgend einer Geschichte oder Eigenschaft des Bodens hat; von irgend einer besondern Kraft des Wassers, oder Eigenschaft der Luft, von irgend einem Zufalle auf der Oberfläche, oder Minerale im Innern der Erde: kurz, daß jede Benennung eine kurze Geschichte enthält, oder eine Merkwürdigkeit der Natur, der Kunst, oder der Geschichte anzeigt. Vallancey hat hiervon eine Menge Beispiele in seinen Schriften angegeben. Auch ist es eine bekannte Sache, daß die Benennungen, die die ältesten Völker der Erde den Dingen gaben, allemal eine Bedeutung hatten, die sich auf die Sache bezog. Dies war der Fall in Griechenland, und muß der Fall mit jedem Lande seyn, in welchem sich die ursprüngliche Sprache, so wie in Irland, rein erhalten hat. Herr Bryant hat in seinem großen Werke eine Menge Untersuchungen dieser Art angestellt,


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hat vielen Worten bis auf ihren Ursprung nachgespürt, und die erste Wurzel mit ihrer ursprünglichen Bedeutung — nicht in der griechischen oder Lateinischen Sprache — sondern unter den ältesten Asiatischen Völkern gezeigt.

Ich muß erinnern, daß wenn ich hier von der Irischen Sprache rede, nicht die verdorbene Sprache gemeint ist, die das gemeine Landvolk gegenwärtig spricht, (eine Sprache, die erst seit 700 Jahren nach und nach entstanden ist) sondern die Alt-Irische, in der man schrieb, und in der alte Manuscripte, die man noch hat, abgefaßt sind.

Diese alte Irische Sprache ist nun keine andere, als die Celtische, die sich auf dieser Insel in ihrer Reinigkeit erhalten hat, weil die alten Iren sich nie mit einem andern Volke vermischten. Je mehr Vallancey diese Sprache studierte, je mehr fand er, daß sie jene alte Celtische sey, die die mehresten Alt-Asiatischen Völker redeten, und von der die Sprache der Phönizier und Carthaginenser ein Zweig, oder fast die nämliche war. Er nahm nunmehr die Punischen Stellen vor, die wir noch im Plautus haben, und fand, daß die Sprache ganz mit der Irischen übereinstimmte.


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Die Sache ist zu merkwürdig und die Gleichheit zu auffallend, als daß ich Ihnen nicht die Stelle aus dem Versuch über das Alter der Irischen Sprache119 abschreiben sollte. Vallancey gibt den Text aus sieben verschiedenen Ausgaben bei Plautus, weil hin und wieder die Lesarten sehr verschieden sind. Ich nehme die von Gronov 1665. Sie können sie mit der Ernestinischen vergleichen.120

Act V. Sc. I Hanno loquitur Punice

Y Thalonim, vualonuth si chorathisima comsyth
Chym lachchunyth munys tyalmyctibari imisci
Lipho eanet hyth bymithii ad oedin bynuthic.
Byrnarob Syllo homalonim uby misyrthoho
Bythlym mothym noctothii nelechanti dasmachon
Yssidele brim tyfel yth chylys chon, tem, liphul
Uth bynim ysdibut thinno cuth nu Agorastocles
Y the manet ihy chyrsae lycoch sith naso
Byuni id chyl luhili gubylim lasbit thim
Bodyalit herayn nyn nuys lym moncoth lusim
Exanolim volanus succuratim misti atticum esse
Concubitum a bello cutius beantlalacant chona enus es
Hujec filec panesse athidamascon alem induberte felono buthumne
Celtum comucro lueni, at enim avoso uber bent hyach Aristoclem


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Et te se aneche nasoctelia elicos alemus duberter mi comps vespiti
Aodeanec lictor bodes jussum limnimcolus.

Diese Rede übersetzt Vallancey so ins Irische, indem er zugleich das Punische, durch Abtheilung der Worte berichtigt.

Plautus

Yth al o nim ua lonuth sicorathissi me com syth121
Chim lach chunyth mum ys tyal mycthi barii im schi.

Irisch

Iaith all o nimh uath lonnaithe! Socruidhse me com sith
Chimi lach chuinigh! muini is toil, miocht beiridh iar mo Scith.


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auf Deutsch122

Allmächtige, sehr gefürchtete Gottheit dieses Landes! besänftige mein unruhiges Gemüth, (O du) Die Stütze schwacher Gefangenen!123
Da ich nun durch Ermüdung erschöpft bin, führe mich nach deinem Willen zu meinen Kindern.

Plautus

Lipho can ethyth by mithii ad aedan binuthii
Byr nar ob Syllo homal o nim! ubymis isyrthoho

Irisch

Liomhtha can ati bi mitethe ad aedan beannaithe,
Bior nar ob Siladh umhal; o nimh! ibhim a srotha!

Deutsch


p.351

O laß mein Gebet vollkommen annehmlich seyn vor deinem Angesichte,
Eine unerschöpfliche Quelle für die Demüthigen; O Gottheit! laß mich trinken aus seinen Strömen.

Plautus

Byth lym mo thym noctothii nel ech an ti daisc machon
Ys i de lebrim thyfe lyth chy lys chon templyph ula

Irisch

Beith liom! mo thime noctaithe, niel ach an ti daisic mac coinne
Is i de leabhraim tafach leith, chi lis con teampluibh ulla.

Deutsch

Verlaß mich nicht! mein ernstes Verlangen ist nun bekannt, welches ist, meine Töchter wieder zu bekommen
Dies war meine heisse Bitte, als ich ihr Unglück in deinen heiligen Tempeln beklagte.


p.352

Plautus

Uth bynim ys diburt hynn ocuthnu Agorastocles
Y the man eth ihychirsae lycoth sith nasa.

Irisch

Uch bin nim! is de beart inn a ocomnuithe agorastocles
Itche mana ith a chithirsi; leicceath sith nosa.

Deutsch

O gütige Gottheit! man sagt, hier wohne Agorastocles
Sollte mein Ersuchen gerecht scheinen, so laß meine Unruhen hier aufhören.

Plautus

Buini id chillu ili guby lim la si bithim
Bo dyalyther aynnyn nuysli mono chetl us im.

Irisch

Buaine na iad cheile ile: gabh liom an la so bithim'!
Bo dileachtach nionath n'isle, mon cothoil us im.

Deutsch

Laß sie nicht länger verborgen seyn; O daß ich heute meine Töchter finden möchte,


p.353

Sie werden Vaterlos seyn, und den ärgsten Männern eine Beute; woferne es nicht dein Wohlgefallen ist, daß ich sie wieder finde.

Plautus

Ec anolim uo lanus succur ratim misti atticum esse
Con cubitu mabel lo cutin bean tla la cant chona enuses.

Irisch

Ece all o nim uath lonnaithe! socair-ratai mitche aiticimse
Con cuibet meabail le cuta bean, tlait le caint con inisis.

Deutsch

Aber schaue herab auf mich, mächtige und fürchterliche Gottheit! Erfülle die Bitte die ich Dir vortrage.
Ohne weibliche Verstellung oder Wuth, mit der äussersten Demuth hab ich meine unglückliche Lage vorgetragen.

Plautus

Huic esi lec pan esse, athi dm as con alem in dubart felo no buth ume


p.354

Celt um co mu cro lueni! ateni mauo suber r benthyach Agorastoclem.

Irisch

Huch! caisi leice pian esse athi dam, as con ailim in dubart felo
Celt uaim c'a mocro luani! athini me a subha ar beanuath Agorastocles.

Deutsch

Oh! Die Vernachläßigung dieses Ersuchens wird mir Tod seyn! laß mich kein verborgenes Unheil ausfinden
Verbirg nicht vor mir die Kinder meiner Lenden! Und verleihe mir dein Wohlgefallen, Agorastocles wieder zu finden.

Plautus

Ex te se anechc na soctelia eli cos alem as dubert ar mi comps
Vesptis Aod eanec lie tor bo desiussum lim nim co lus.

Irisch

Ece te so a Neach na soichle uile cos ailim as dubairt; ar me compais
Is bidis Aodh eineac lic Tor, ba desiughim le mo nimh co lus.

Deutsch


p.355

Siehe, o Gottheit! dies sind die einzigen Freuden, um die ich bitte. Habe Mitleiden mit mir.
Und ich will dankbare Feuer auf steinernen Thürmen zum Himmel auflodern lassen.

Auf diese Art behandelt Herr Vallancey auch die andere Scene im Plautus, und die Ähnlichkeit der beiden Sprachen ist nicht weniger auffallend. Wenn Sie das Punische, womit Vallancey seine Übersetzung vergleicht, gegen irgend eine Ausgabe des Plautus halten, so werden sie finden, daß es mit seiner ganz übereinstimmt. Er hatte eine Menge Ausgaben vor sich, und wählte die Leseart, die ihm am besten schien. Übrigens hat man sich über die ausserordentliche Verschiedenheit der Lesearten dieser Stelle nicht zu verwundern, da vermuthlich keiner der Abschreiber in den Manuscripten sie verstund. — Vallancey vergleicht noch überdies jedes Wort seiner Übersetzung besonders genommen, mit dem Englischen, analysirt und gibt für die Alt-Irischen Worte, deren er sich bedient, eine Autorität an, worinne er sich oft auf O'Brians Wörterbuch beruft.124

In seiner Grammatick redet er oft von der großen Ähnlichkeit die das Alt-Irische mit dem Ebräischen hat. Die nämliche Ähnlichkeit muß


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sich folglich auch zwischen dem Ebräischen und dieser Punischen Stelle des Plautus befinden. Und dies ist gerade was schon andere, lange vor Vallancey, ausgefunden haben. Schon Gronov hat versucht, diese Plautinische Stelle ins Ebräische zu übersetzen, wie Sie in seiner Ausgabe des Plautus finden werden, wo Sie das Ebräische vergleichen können. Auch Bochart in seinem Phaleg Cap. 2125 hat die ersten 10 Verse dieser Stelle ins Ebräische übersetzt, nicht aber die folgenden 6, weil er sie nicht für Punisch, sondern für Lybisch hält: eine Sprache, die vermuthlich selbst von der Punischen, Phönizischen und Celtischen nicht weiter verschieden war, als durch einen verschiedenen Dialekt.

Vallancey sagt, daß er nie unternommen haben würde, die Punische Stelle im Poenulus ins Irische zu übersetzen, wenn es der einzige Rest wäre, den wir von dieser Sprache haben, weil er in diesem Falle die Stelle nicht sowohl als eine Punische, sondern als die Fehler und Irrthümer der Abschreiber der verschiedenen Manuscripte betrachtet haben würde. Allein man hat verschiedene andere Spuren der Punischen Sprache, und sie stimmen alle mit der Irischen ausserordentlich überein. Die Sache ist nicht neu; allein ich glaube, sie ist wenig bekannt.


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Ein Professor der Universität Gießen, May, schrieb 1718 eine Abhandlung126, worinnen er zeigt, daß die Sprache der Malteser sehr viel Alt-Punisches hat. Ein Maltesischer Jesuit hatte den Professor darauf geleitet, allein verschiedene andere hatten die Sache schon vorher bemerkt. Andrew Theuet in seiner Cosmographie127 sagt, daß die Malteser zu allen Zeiten die Afrikanische Sprache erhalten hätten, nicht die, welche heutzutage die Mauren reden, sondern den Dialekt, den die Carthaginenser hatten, und ein Beweis hiervon ist, daß die Malteser verschiedene Verse des Plautus in den Punischen Stellen verstehen.

Quintus Hoeduus ist noch bestimmter über die Sache; denn in einem Briefe, der von Malta den 20. Jan. 1533 datiert ist, sagt er, daß diese Insel ihre Sprache von den Carthaginensern bekam, denen sie ehemals gehörte; daß sie sich so wenig geändert hat, daß die Malteser die Punischen Stellen des Plautus und viele andere Worte dieser Art verstehen; daß man auch noch jezt Punische Inscriptionen hat etc. etc. 128 Endlich


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schrieb Agius de Solandis eine Abhandlung von der Punischen Sprache der Maltesern129, an welche er ein kleines Verzeichnis von Maltesischen Wörtern hängt. Aus diesem nimmt Vallancey etwan 150 Worte, und vergleicht sie mit eben so viel Irischen.