Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 6

Jenner.

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Ausser dem, was ich in den vorigen Briefen gesagt habe, gibt es noch verschiedene Dinge, aus denen das Alterthum eines Landes — wenn nicht mit Gewißheit bewiesen — wenigstens auf einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit gebracht werden kann. Die Religion der ersten Einwohner, einige Überbleibsel von Altherthum, die man hin und wieder sieht, und gewisse alte Gebräuche, die sich bis in die neuern Zeiten erhalten haben — sind insgesamt Dinge, die die Aufmerksamkeit des Forschers verdienen.


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Die Religion der ersten Iren war, nach den ältesten Nachrichten der Barden, die Religion der jüdischen Erzväter. Sie verehrten ein höchstes Wesen und nur eins, nicht in Tempeln, sondern in Haynen; sie glaubten einen Zustand nach dem Tode, Belohnungen und Strafen; brachten ihrer Gottheit Opfer, und hielten ihr zu Ehren gewisse Festtage. Der ganze Gottesdienst war höchst einfach. Die Druiden waren ihre Priester, und zugleich das, was bey den alten Orientalischen Völkern die sogenannten Weisen waren. Die Irischen Druiden behielten auch in den spätern Zeiten sehr viel von ihrer Simplicität, machten dem Volke weniger Blendwerke, als die Gallischen und andere, und hatten daher auch nicht jenes hohe Ansehen und den starken Einfluß auf die Regierung des Landes, den sich die Druiden anderer Länder zu erwerben wußten.

Die Nachricht, die die Irischen Barden von der Religion ihrer Urväter geben, erhält ein großes Gewicht durch gewisse Altäre und Säulen, die denen, welche Moses zur Zeit der Erzväter beschreibt, überaus ähnlich sind. Es gab deren in Irland eine große Menge, und selbst jezt sieht man noch einige Überbleibsel davon. Es sind Altäre von rohen, ungehauenen Steinen, deren Form und Stellung vermuthen läßt, daß


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sie zum Opfern gebraucht wurden. Im zweyten Buche Mosis ist eine Stelle wo ausdrücklich verboten wird, Altäre von zugehauenen Steinen zu errichten. In einer kleinen Entfernung von diesen Altären hat man häufig steinerne Säulen, oder Säulen von Steinen zusammen gesetzt, gefunden, die man mit denen vergleicht, deren in der Schrift Meldung geschieht, als die Säule Jakobs, und Rahels und Absalom's Pfeiler.

Daß diese alte Religion sich nicht in ihrer ursprünglichen Reinigkeit erhielt, ist, was man von der menschlichen Natur und aus allgemeiner Erfahrung erwarten muß. Ich habe irgendwo gefunden, daß hundert Jahre nach dem Einfalle der Milesier die Religion verfälscht worden sey, und daß man den Bel, oder Beal, oder Belus (alle diese Worte sind, nebst Baal, die nämlichen) angebetet habe. Allein Vallancey spricht die Iren von allem Götzendienste frey, sagt, daß St. Patrick und die andern Lehrer des Christenthums ihnen dieses nie zur Last gelegt, und daß man nie in den Sümpfen oder sonst wo einen Götzen gefunden, ob man schon unzählige, den Druiden gehörige Dinge ausgegraben hat; daß sie einen einzigen Gott, den sie Toit oder Thoit nannten, unter der Gestalt des Feuers Bel, oder Beal anbeteten, und überdies die Sonne und das himmlische Heer verehrten. Sie unterschieden


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die Sonne von Bel, durch welches letzte sie also vermuthlich das ursprüngliche oder elementarische Feuer verstunden. Herr Bryant hat weitläufig bewiesen, daß der Feuerdienst der ursprüngliche Gottesdienst fast aller alten asiatischen Völker, und besonders der Perser, war, und daß verschiedene Griechische Gottheiten ihren Ursprung aus Asien hatten, und, so sehr auch ihre Namen abgeändert worden waren, doch im Grunde das Feuer bedeuteten. Wäre nun Irland von den Gallischen oder Brittischen Celten bevölkert worden, so würden diese den Götzendienst eingeführt haben, den sie selbst sehr frühzeitig hatten, wenigstens früher, als in der Zeit, in der sie Colonien ausschickten.

Es ist schon oft bedauert worden, daß wir so wenig von den Carthaginensern wissen, welche ohnstreitig eins der wichtigsten und aufgeklärtesten Völker des Alterthums waren. Was die Barbarey der Römer übrig ließ, zerstörten in der Folge die Saracenen. Wir kennen sie also blos durch ihre Feinde, die Römer und Griechen. Bey diesen113 finden wir einige Nachricht von der Religion und den Göttern der Carthaginenser;


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allein diese Schriftsteller haben die Namen ihrer eigenen Götter oft darzu gesetzt, wodurch die Sache etwas unordentlich wird.

Die vornehmste Gottheit der Carthaginenser war Baal, Beal, Bel, die Sonne, und man brachte ihr Menschenopfer. Die Iren verehrten ebenfalls die Sonne, und brachten ihr gleichfalls Menschenopfer. Die Carthaginenser setzten in der Folge Thiere an die Stelle der Menschen, und das thaten die Iren auch. Sie nennen den Monat May noch heutzutage Mi Beal teinne, d. h. der Monat des Feuers des Beal, und den ersten May la Beal teinne, d. h. der Tag von Beals Feuer.114 Man brannte große Feuer auf den Gipfeln der Hügel, und eine Menge Irischer Hügel heißen noch heutzutage cnoc greine, d. h. Hügel der Sonne. — Die Carthaginenser hatten kein Bild von Beal; die Iren auch nicht. Ich habe schon erinnert, daß Vallancey die Iren von allem Götzendienste freyspricht, ob mir schon vieles nicht ganz klar ist, wenn ich es gegen verschiedene andre Nachrichten halte, die ich habe. So viel ist gewiß, daß man nie einen Götzen gefunden hat, und daß weder St. Patrick noch seine Nachfolger den Iren Götzendienst vorwerfen. — Den ersten May trieben die Druiden alles Vieh durchs Feuer, um es für {vor} Krankheit für ein Jahr lang zu bewahren. In Munster und Connaught


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befolgt das Landvolk noch diese Stunde den alten Gebrauch, und mit dem nämlichen Aberglauben. — Das Alt-Irische Wort für Jahr ist Bealaine, d. h. Zirkel der Sonne. — Baal-samhain war ein anderer Name, den die Carthaginenser ihrem Beal gaben. Beal-samhain heißt in der Irischen Sprache, Beal, der Sonnen-Planet, denn ‘am’ ist ein Planet, und ‘sam’ ist der gemeine Name für die Sonne.

Chronus. — Chron ist im Irischen Zeit und Chronog ein Kreis, d. h. der Creis der Sonne. — Herkules war der Schutzgott von Tyrus und Carthago; sein Carthaginensischer Name war Archles; aichill bedeutet im Irischen stark. Der nächste dem Herkules war Iol-aus, welcher so genannt wurde, weil er in einem hohen Alter wieder jung ward. Iol im Irischen ist ändern, verwandeln, und aos ist Alter, als Iol-aos.

Aesculapius, oder Aisenlapius hatte seinen Tempel auf einem hohen Felsen, wo er seine Wunderkuren verrichtete, und woher er seinen Namen hatte. Das Irische Wort aisci bedeutet heilen, und scealp ein Felsen. — Servius nennt ihn auch Poeni-gena, weil er von einem Carthaginensischem Weibe gebohren war; Poeni-geine ist auf Irisch der Nachkomme einer Carthaginensischen Person.


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Tellus war ebenfalls eine Carthaginensische Gottheit, die Irischen Worte für Erde sind ‘tellur, tella, telamh’, — Scyphus soll der Neptunus der Carthaginenser gewesen seyn. Das Irische Wort ‘nimh’ bedeutet eine Gottheit, und ‘ton’ die Seewellen, ‘scif’ aber oder ‘scib’ ist ein Schiff.

Die Alten bildeten den Meekur bisweilen mit einem Hundskopf ab. Im Irischen ist ‘mer’ thätig, ‘cu’ ein Windhund und ‘ri’ laufend. — Ioh-Pater (Jupiter) wird für den Vater aller Früchte gehalten. Das Irische ‘ioh’ ist die Frucht eines Thieres, einer Pflanze oder eines Baums, p, ‘athair’ ist der Hauptvater. — Aeolus. Das Irische ‘gaoth’ bedeutet Wind, und ‘eolus’ Wissenschaft. — Phiditia oder Fidites waren öffentliche Feiertage zu Carthago, an denen die Alten die Jungen unterrichteten. Das Irische ‘fidir’, ‘fithir’, und ‘feathair’ bedeutet Lehrer, und ‘fiadhaithe’ ist sagen, erzählen, lehren. — Die höchste Obrigkeit zu Carthago hieß Soffites. Das Irische ‘sofar’ ist mächtig, gewaltig, der Plural ‘sofaraith’. Das Irische ‘so-fithee’ aber bedeutet höchst fähig zu lehren oder zu leiten.

Vallancey vergleicht auf diese Art noch eine Menge Namen anderer Gottheiten mit dem Irischen, allein diese Probe mag genug seyn.


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Auch die Steinhaufen, deren man noch viele auf der Insel sieht, und die nun mehrentheils verwachsen sind, werden als ein Beweis des hohen Alterthums angegeben. Ich mag keine Meinung darüber wagen: da aber viel davon geschrieben und gesprochen worden, so werden Sie vermuthlich etwas darüber erwarten. Einige dieser Steinhaufen sind sehr groß, andere klein, und sie sollen Begräbnisse seyn, einem alten Gebrauche zu Folge, von dem Sie im Buche Josua Nachricht finden. Im Buche der Richter wird gesagt, daß man Achans Körper mit einem großen Steinhaufen bedeckte.115 Absalom wurde in eine Grube gelegt, und mit einem großen Steinhaufen bedeckt. Kurz, es scheint, daß dieses die älteste und einfachste Art war, den Verstorbenen ein Denkmal zu errichten. Andere sagen: die größeren Steinhaufen, welche gewöhnlich einen Pfeiler nicht weit von sich haben, seyen bey gewissen feierlichen Opfern gebraucht worden, z. E. bey Bündnissen, Verträgen etc. etc. dergleichen zwischen Laban und Jakob errichtet wurden. Beide Arten von Steinhaufen müssen, wie die Irischen Antiquarien sagen, von anderen Erhöhungen unterschieden werden, die sie tumuli nennen,


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und deren man noch hin und wieder einige sieht. In der Grafschaft Tipperary, in Süd-Irland, ist ein tumulus, der nichts anders als ein kleiner runder Hügel, eine Art von Kegel ist, dem die Spitze fehlt, und dem man es ansieht, daß er durch Menschenhand gemacht ist. Diese tumuli sagt man, seyen für Personen von hohem Stande errichtet worden.116 Aus dem Lucan sollte man vermuthen, daß sie für Könige waren.117 Allein Plutarch sagt, als er vom Tode des Demaratus redet, daß er ein prächtiges Begräbniß hatte, indem Alexanders ganze Armee ihm ein Denkmal von Erde errichtete, achtzig Fuß hoch, und von einem ungeheuren Umfange. — Man hat diese tumuli bisweilen Dänische Hügel genannt; allein sie rühren zuverläßig nicht von den Dänen her, denn wo man auch nachgegraben hat, hat man Urnen unter diesen Erhöhungen gefunden. Der Gebrauch, die Todten zu verbrennen, hatte schon lange, ehe die Dänen Irland anfielen, aufgehört. —


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Herodot sagt von den Scythen, daß sie, für die Begräbnisse ihrer Könige, Berge von Erde aufwarfen, so hoch sie nur konnten. Genug hiervon! Machen Sie daraus, was Sie können.

Von dem Irischen Klaggeschrey bey den Begräbnissen, welches gewiß auch ein uralter Gebracuh ist, hab ich Ihnen schon sonst geschrieben.

Ich überlasse es ganz Ihrem Urtheil, lieber Freund, auszumachen, wie weit das, was ich bis hierher gesagt, die Geschichte von Irland bestätige, von der ich Ihnen einen Abriß gegeben habe.

Ehe ich zu einer andern Art von Untersuchung fortgehe, will ich noch etwas hinzusetzen, was einige Beziehung auf das vorhergehende hat.

Vallancey glaubt, Irland sey das alte Thule, weil es die erste der Brittischen Inseln ist, auf die die Carthaginenser stossen mußten, wenn sie vom Cap Finisterre Nordwärts segelten. Er meynt, es sey die Insel, von der Aristoteles sagt: daß die Carthaginenser über den Säulen des Herkules eine gefunden haben, die fruchtbar war, ausserordentlich viel Waldungen und eine Menge schiffbarer Flüsse u.s.w. hatte, einige Tagesreisen vom festen Lande. Der Umstand der vielen Wälder und Flüsse läßt sich


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auf keine Insel des Atlantischen Meeres anwenden, die einige Tagereisen vom festen Lande liegt. — Man hat viel über Thule geschrieben, aber darinnen sind alle einig, daß es gegen Norden lag, und dieß ist in Rücksicht auf die alten Völker, die aus dem mittelländischen Meere kamen, und dann vom Cap St. Vincent Irland gerade gegen Norden hatten. — Ich will die bekannte Stelle im Diodor von Sicilien hier nicht betreiben, wo von einer Insel die Rede ist, deren Beschreibung man sehr wohl auf Irland anwenden kann; die Einwohner verehrten den Apollo, (denken Sie an Beal) waren sehr geschickt in der Astronomie, und brachten den Mond durch Gläser näher. — Daß die Iren sehr frühzeitig in Glas arbeiteten, ist daraus bekannt, daß sie ganze Häuser vergläserten. Daß sie Kenntniß von der Astronomie hatten, sieht man aus dem, was Vallancey über den alten Irischen Kalender geschrieben hat. Er zeigt, daß sie in ihrer Sprache eine Menge astronomischer Worte hatten, lang ehe St. Patrick die lateinische Sprache, und mit ihr lateinische oder griechische Technologie einführte. — Doch diese Stelle ist auf zehn andere Inseln angewendet worden. Was mir weit mehr auffällt, ist folgender Umstand. Die Worte Thual und Thuathal sind wirklich Irische Worte, und also vermuthlich auch Punische; und

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was mehr ist, die bedeuten die linke Hand und Mitternacht, so wie im Hebräischen, wo die linke Hand auch den Norden bedeutet, weil die Juden sich gegen Morgen kehrten, wenn sie beteten. Der nördliche Theil von Munster wird in alten Irischen Manuscripten Thuathal-Mhumhan, oder Thuath-Mhumhan genannt, und Nord-Irland hat noch heutzutage den Namen Thual in Coige Thualle, welches die Provinz Ulster ist.

Sir Robert Sibbauld sagt: ‘Obschon Irland das erste Thule ist, das die Carthaginenser entdeckten, so ist es doch nicht das Thule, in dem die Römer waren, denn die Römer sind nie in unser sogenanntes Irland gekommen. Die Horesti,’ setzt er hinzu, d. i. die Schottischen Hochländer wurden Hiberni genannt, weil sie eine Irische Colonie waren. Allein Strabo sagt, daß die, die das Brittische Ierne gesehen hätten, nichts von Thule sagten. Dieß sucht nun Vallancey so zu vereinigen, daß er annimmt, daß die Phönizier von Cadix aus um ganz Irland und Grosbritannien herum segelten, nachdem sie Irland, welches ihnen das erste und nächste war, hatten kennen lernen. Daß die Phönizier auf der östlichen Küste von England waren, ist so ziemlich aus einem Altare klar, den Dr. Todd vor zwanzig Jahren auf der östlichen Küste von


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Essex fand. Der Altar war mit Ochsenköpfen, Guirlanden und Opfer-Instrumenten geziert, und hatte die Aufschrift, die ich Ihnen genau abmale.118 Hier ist der Irische Herkules deutlich zu lesen. Daß die Phönizier ihre eigenen Buchstaben aufgaben, und die sogenannten Griechischen hatten, so wie die Carthaginenser nach dem ersten Punischen Kriege die Römischen hatten, braucht keiner Erinnerung. Der Doktor meynt, Erkelenz in Gelderland, Hertland in Cornwall sey Herculis castra, und von Herculis castra komme Hercul-ceaster, wie es die Sachsen nannten, welches nun durch Zusammenziehung Col-chester in Essex ist. Ließe sich nun nicht mit weit mehr Wahrscheinlichkeit vermuthen, daß das westliche Vorgebirge Airchill gleichfalls ein Promontorium Herculis der Phönizier sey? — Erinnern Sie sich des Punischen Namens für Herkules.