Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 15

den 26. Aug.

15

Ist Ihnen, lieber Freund, die militärische Verfassung in den drey Reichen bekannt? Der Soldat macht hier nicht, wie in andern Ländern, einen eigenen abgesonderten Stand aus, sondern er wird als Bürger betrachtet, und steht, so wie jeder andere Unterthan dieser Reiche, unter der allgemeinen bürgerlichen Obrigkeit. Ein Officier oder Soldat also, wird vor einen Friedensrichter gefordert, wie andere Leute, und in wichtigern Sachen wird ihm der Prozeß durch die sogenannten Geschwornen (Jury) gemacht, welches der gewöhnliche Weg für alle Unterthanen des Königes von England ist. Nur in Dingen, die schlechterdings die Subordination angehen, und in dem, was eigentlich zum Dienst gehört, hat die Armee eine Jurisdiction, und das Militär


p.268

steht dann unter einem sogenannten Kriegshof (Court-Martial). — Diese Verfassung kommt daher, daß der Engländer keine stehende Armee anerkennt, sondern sagt, daß das Parlement, d. h. das Haus blos auf ein Jahr Truppen bewilligt, und daß, am Ende dieses Jahres, eo ipso, diese Truppen entlassen sind. Erinnern Sie sich hier dessen, was ich Ihnen bey Gelegenheit der Mutiny-hill schrieb.66

Die Armee wird in allen drey Reichen mit Eifersucht und Widerwillen angesehen und man bedient sich ihrer daher nur im Falle der Noth. Ein Paar Constables in bürgerlicher Kleidung, mit langen Stäben, sind die ganze Macht, die man an öffentlichen Orten findet, und die einen zahlreichen Pöbel in Gehorsam halten. Wenn aber die bürgerliche Obrigkeit bey ernsthaftern Vorfällen, eine gewisse Anzahl Soldaten nöthig hat, so werden diese nicht von einem Officiere, sondern von einem Sherif oder irgend einer andern bürgerlichen Obrigkeit angeführt. Dieser Umstand gibt nun gegenwärtig viele Unruhen zu Dublin. Wenn der Pöbel Ausschweifungen begeht, in Theer und Federn setzt etc. etc. so darf sich das Militär nicht darein legen, und die Sherifs


p.269

zeigen eine große Abneigung, sich der Soldaten zu bedienen, oder überhaupt ernsthaft mit dem Pöbel zu verfahren.

Ich höre täglich, daß man über die Dubliner Stadtobrigkeit klagt, vom Lord Mayor an bis auf die Constables herab. Die mehresten sind von der Oppositionsparthey, und der Lord Mayor hat sich so sehr von dieser Seite gezeigt, daß ich von vielen Personen gehört habe, daß er gehangen zu werden verdiene. Allein wer soll ihn anklagen und den Prozeß betreiben? Das Parlement! Freilich, aber das ist schon ohnedies verhaßt genug, und will den Pöbel nicht bis zum offenbaren Aufruhr treiben. Als der Pöbel bey Gelegenheit der Preßfreiheit-Bill in die Gallerie des Unterhauses brach, forderte das Parlement den gegenwärtigen Lord Mayor vor und sagte ihm harte Dinge. Viele tadeln dieses und sagen: man hätte ihn sollen zu Grunde richten, oder gehen lassen. — Ein Theil der Volunteers zu Dublin haben ihre Dienste angeboten, und man hat sie schon ein paarmal gebraucht, welches wider die Verfassung ist, weil man des Königes Truppen brauchen sollte. Alles dieses macht, daß die regulirten Truppen nun auch anfangen, ungeduldig zu werden, um so mehr, da der Pöbel verschiedene Schildwachen gemishandelt hat. Seit kurzem haben etliche kleine Truppen


p.270

Ausfälle aus den Casernen gethan, ohne jedoch viel Unheil anzurichten; und diese Woche, als man einen Missethäter durch die Gassen peitschte, gab es abermal Lärm. Der Missethäter war der erste Tarrer und Featherer, den man entdeckt hat. Da man einen Aufstand unter dem Pöbel besorgte {befürchtete}, so wurde die Execution von Soldaten begleitet. Einer derselben wurde von einer ungesehenen Hand mit einem Steine verwundet, und sogleich schossen etliche Soldaten auf das Volk. Der Lärm wurde allgemein, die Thore des Schlosses wurden geschlossen, und die Garde ausgestellt ; indessen kam es doch zu keinen weitern Thätlichkeiten, und die Soldaten, die ohne Befehl des Sherifs geschossen hatten, wurden abgestraft. — Letzthin kam eine Irische Gräfin aus England und brachte eine Englische Kutsche mit sich. Der Pöbel sah die Landung, bemächtigte sich der Kutsche und tarrte und featherte das arme leblose Geschöpf.