Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 23

Manchester, den 28. Sept. 1783

23

Daß ich glücklich zu Holyhead gelandet, wird Ihnen mein Brief sagen, den ich dort den nämlichen Tag auf die Post gegeben habe. Jetzt will ich Ihnen nur noch etwas von meiner Überfahrt erzählen.

Kurz ehe wir Irland verließen, erfuhr Lord T** , daß eine königliche Jacht überfahren sollte, und so gleich wurde beschlossen, mit ihr zu gehen. Zwar machen diese Jachten einen weiten Weg, denn sie landen gewöhnlich zu Parkgate in der Mündung des Dee, dafür aber hat man sehr gute Bedienung, und die Jacht ist viel größer als die Paketboote. Glücklicherweise für uns waren alle


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gute Plätze schon belegt. Wir gingen also mit dem Packetboot und hatten eine Überfahrt von sieben Stunden, eine fast unerhörte Sache auf dem Irischen Meere. Wir schifften uns nach Mitternacht ein, welches freilich sehr beschwerlich ist, und um so beschwerlicher, da man ein Paar Meilen in einem unbedeckten kleinen Fahrzeuge machen muß, weil das Packetboot, um geschwinder fortzukommen, gewöhnlich ausser dem Hafen vor Anker liegt. Daß wir äusserst geschwind gingen, darf ich Ihnen nicht sagen, da Sie wissen, daß die Überfahrt von vier und siebenzig Meilen ist.

Ich bin jezt fest überzeugt, daß die Bewegung des Schiffes die Hauptursache der Seekrankheit ist. Je stärker dieses geht, desto mehr greift die Krankheit an. Dieses hab' ich reichlich erfahren, denn ich war noch den ganzen folgenden Tag nicht wohl, ob man schon gemeiniglich sagt, daß diese häßliche Krankheit in dem nämlichen Augenblicke vorüber ist, in welchem man den Fuß aufs Land setzt.

Wenn wir von Glück zu sagen hatten, daß unsre Überfahrt so schnell war, so waren wir noch weit glücklicher von einer andern Seite. Der Sturm nahm noch denselben Tag heftig zu, und wurde den folgenden und nächstfolgenden so


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heftig, daß ich überall beide Seiten der Straße mit Zweigen und Bäumen ganz überstreut fand. Es waren Eichen und Eschen darunter, die fast einen Schuh im Durchschnitt hatten.

Der St. Georgen-Canal ist in England, und noch mehr auf dem festen Lande sehr verschrien, und vielleicht nicht ganz mit Unrecht. Zwar geht es hier, wie mit dem Donauwirbel und mit den Rhodanfahrt unter dem Pont du Guard; es wird alles übertrieben. So viel aber ist gewiß, daß hier die Wellen kurz und rauh sind, da sie hingegen auf dem Ocean eine längere Form haben. Ob die Wallisischen Gebirge oder andere Umstände, oder Verschiedenes zusammen Schuld daran sind, will ich nicht entscheiden. Auch das ist bekannt, daß die Fahrt von Dublin nach Holyhead gemeiniglich besser ist, als die von Holyhead nach Dublin. Um allen Beschwerden abzuhelfen, hat man vor einigen Jahren einen neuen Weg durch Nord-West-Schottland bis in den Hafen Portpatrick angelegt; von da ist die Überfahrt nach Donaghadee noch kürzer, als von Calais nach Dover. Diesen Weg macht aber niemand, weil er in Rücksicht der beyden Hauptstädte London und Dublin, viel zu weit nördlich führt.

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