Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 9

Den 22. August

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Nach einigen Tagen Regen fand ich entsetzlich viel Koth in der Stadt, und machte zugleich die Bemerkung, daß Polizey und Reinlichkeit in diesem Betracht besser seyn könnten. Dieses findet besonders in gewissen alten Gassen statt, die von den übrigen so sehr verschieden sind, daß man in einer andern Stadt zu seyn glaubt, worzu auch die Armuth, die sich in denselben hin und wieder zeigt, nicht wenig beyträgt.

Gegen den Koth findet man in allen Gassen eine Menge öffentliche Kutschen, die von der


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Regierung numeriert sind, und deren Preiß festgesetzt ist, so wie zu London und Paris. Kurz die Hackneycoatches sind gerade das, was die Franzosen Fiakers nennen. Wenn Herr Twiß die Dubliner so abscheulich findet, so muß er die in einigen Orten Deutschlands, hauptsächlich aber die Pariser nicht gesehen haben. Über diese letztern geht nichts; Kutsche, Pferde und Fuhrmann sind über alle Beschreibung elend und unreinlich. — Auch Porte-Chaisen gibts zu Dublin in großer Menge.

Twiß hält sich sehr dabey auf, wie man in Irland die Post betrügt. Als ein Engländer sollte er doch wissen, daß in seinem Lande nichts gewöhnlicher ist als das. Die Peers so wohl als die Parlementsglieder vom Unterhause geben ihren Freunden häufig mit ihrem Namen bezeichnete Adressen, und sehr oft macht man auch, ohne weitere Umstände, ihre Namen nach. Und so geht es hier auch.

Dublin hat am Nordwestlichen Ende der Stadt einen Park, der an Größe schwerlich seines gleichen hat; man gibt ihm über sechs Meilen Umfang. Was ließe sich da nicht alles machen! Aber er gehört dem Könige, und dieser bekümmert sich weiter nicht darum, sondern überläßt das Einkommen davon dem Vicekönige, dem Staatssekretaire, den Thorhüthern


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und verschiedenen andern Bedienten. Diese können einen weiteren Vortheil daraus ziehen, als daß sie Vieh darinnen weiden lassen und Damhirsche tödten, deren es eine große Menge darinne gibt. Der schönste Theil des Parks ist das Mittel, wo viel artig angelegte Waldung ist, nebst einem Garten und einer artigen, doch simplen Sommerresidenz des Viceköniges. Das hiesige Parlement ließ dieses Gebäude bauen, so wie ein anderes nahe dabey für den Sekretair. Nicht weit von diesen Gebäuden ist im Walde ein großer runder Platz, von welchem aus vier Wege nach vier entgegengesetzten Seiten gehauen sind. Mitten auf diesem Platze steht eine schöne kanelirte Säule, auf welcher ein Phönix sich in seinem Neste verbrennt. Auf dem Fußgestelle steht diese Aufschrift: ‘Civium oblectamento campum rudem et incultum ornari iussit Phil. Stanhope Comes de Chesterfield Prorex.’ Auf der entgegengesetzten Seite: ‘impensis suis posuit Phil. Stanhope Comes de Chesterfield Prorex.’8 Er ließ auch auf beyden Seiten der Hauptstrasse einige tausend Bäume pflanzen, welche eine Menge kleiner Wäldchen formiren, indem ihrer sieben oder neun beysammen stehen, alle dreyßig oder vierzig Schritte. Dieser Mann, von dem, ich weiß nicht aus welcher Schwachheit, ich immer sehr gerne spreche, war hier Vice-König

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in einem der kizlichsten Zeitpunkte, als der letzte Prätendent in Schottland landete und auch in Irland alles in Gährung war. Hier übte er die Grundsätze aus, die aus seinen Briefen so bekannt sind, er wußte das Interesse des Hofes und der Nation so wohl zu besorgen, daß er sich den erstern unendlich verpflichtete, und bey der andern zugleich so beliebt machte, daß hier sein Name noch jetzt mit Freuden genannt wird. Da der Phönix-Park dem Könige gehört, hatte Carl II. {Charles II} so wenig Achtung für das Publikum, daß er ihn seiner Maitresse der Herzogin von Cleveland schenkte. Allein der Herzog von Ormond, ein Irländer, der damals Vice-König war (und von welchem ich Ihnen verschiedenes schreiben werde) weigerte sich, das Siegel unter die Schenkungsurkunde zu drücken. Als er wieder nach England kam, überhäufte ihn die Herzogin mit Vorwürfen und Schimpfworten. Der Herzog ließ sie ausreden, und sagte dann ganz gelassen zu ihr: ‘Madam, I hope to see you an old woman.’9 Sie hatte Verstand genug zu fühlen, was eine Maitresse ist, wenn sie alt wird, und ließ den Herzog in Ruhe. Und die Schenkung unterblieb.


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