Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 7

Den 3. August

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Heute war der Bischoff von Waterford hier, von dem ich Ihnen doch ein paar Worte sagen muß. Er ist einer der würdigsten Prälaten dieser Insel, und auch in der gelehrten Welt bekannt. Herr Newkome {Newcome} ist ein Engländer, war Tutor of College eines vornehmen Englischen Lords, und auch eine Zeit lang des berühmten Fox, hernach College-Fellow zu Oxford. Durch Fox bekam er in Irland ein Bißthum, das er bald mit dem von Waterford vertauschte, wo er nun seit funfzehn Jahren ist, und wäre vor


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etlichen Jahren Erzbischoff und Primas geworden, wenn er nicht eine starke Parthey gegen sich gehabt hätte, die alles that, um keinen Engländer zum Primas zu haben.

Er hat über die Lehrjahre Jesu geschrieben, ein Werk, das ihn zu einigen Streitschriften mit dem D. Priestley veranlaßte, die ich wirklich jezt lese. Dann schrieb er über den sittlichen Charakter Jesu, und jezt ist er mit einem Commentar über die Propheten beschäftigt. Er soll einer der besten Orientalisten in den drey Reichen sein.

Im Umgange ist er sehr ernsthaft, und man sieht es ihm an, daß er eine blos gelehrte Erziehung empfing. Ich bemerkte, daß er nie seinen linken Arm brauchte, sondern ihn beständig in der Weste hatte; und auf Nachfrage hörte ich, daß, als er Fellow zu Oxford war, einer seiner Eleven, ich weiß nicht, bey welcher Gelegenheit seine linke Hand zwischen eine Thüre klemmte, und so verwundete, daß sie abgelöst werden mußte.

Sie wollen etwas von den Genfern wissen, denen ich sehr nahe bin. Denn Waterford ist nur zwölf Meilen von hier, und ich fahre sehr gemächlich dahin, halte mich etliche Stunden dort auf, und komme wieder zurück zum Mittagsessen.


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Der Herzog von Leinster bot den Genfern zwanzig tausend Acres Landes auf seinen Gütern an. Die Genfer nahmen das Geschenk an, und nun sah der Herzog, daß er eine Übereilung begangen hatte, und nahm sein Wort unter dem Vorwand zurück, daß er unter seinen Familien-Papieren Verträge gefunden hätte, die ihm dieses Geschenk nicht erlaubten. Dieser Anlaß brachte indeß viele Genfer auf den Gedanken, sich in dieser Insel nieder zu lassen, und Lord Temple, der vorige Vicekönig legte sich ins Mittel. Der König besitzt in der Grafschaft Waterford zwölf hundert Acres Landes, welche den Genfern zu einer ganz neuen Stadt sollten angewiesen werden. Der Fleck ist wirklich abgesteckt, und überaus artig und wohlgelegen. Wenn Sie eine gute Karte von Irland haben, so gehen Sie von Waterford sechs Meilen weiter auf dem Sure hinab, so werden Sie einen Ort, Duncannon finden, welchem gerade gegen über dieser Fleck liegt. Die Gegend ist schön, und der Fluß ist dort so breit, daß man ihn als eine Bay betrachten kann

Ein Mely aus Genf kam hierher und besahe das Ganze, um seinen Landsleuten Bericht abzustatten; als er aber wieder nach Genf kam, behandelte ihn der dortige Magistrat als einen Staatsverbrecher, und setzte ihn ins Gefängnis. Sogleich schrieb der Englische Minister nach Genf


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und reklamirte Mely als einen Irischen Unterthanen. In der Zeit erklärten sich die Irischen Volontairs zu Beschützern der Virtuous Genevese (des tugendhaften Genfs) und boten ihnen in allen öffentlichen Blättern ihren Beystand an. — Von allen diesen Dingen waren die Zeitungen voll, als ich vor sieben Wochen hierher kam.

Unterdessen waren die Herren de Claviere, du Roveree6 etc. etc., die Sie aus meinen ehemaligen Briefen kennen, hierher gekommen, und sind noch jezt zu Waterford. Diese setzten die Unterhandlungen mit dem Grafen von Temple und dem Parlement von Irland fort, und erhielten das Versprechen einer Summe von funfzig tausend Pfund Sterling, welche angewendet werden sollte, theils eine eigene Stadt für sie zu erbauen, theils die Ärmern von Genf hieher zu transportiren. Es wurden fünf und zwanzig Pfund für den Transport einer Familie festgelegt.

Dies und andere Vortheile würden diese Leute erhalten haben, wenn sie sich nicht gleich als Genfer, das heißt, als Leute gezeigt hätten, deren Prätensionen ins Unendliche gehen. Stellen Sie sich vor, daß diese Leute eine Menge lächerlicher Forderungen machten, und, mit einem Worte, ohngefähr einen Statum in statu zu errichten dachten. Das tolleste aber war, daß sie verlangten, daß ihr Magistrat (ihr eigener


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versteht sich) das Recht haben sollte, alle Einwohner der neuen Stadt zu Freeholders zu machen, das heißt, zu solchen Leuten, die das Recht haben, ihre Stimme zur Wahl eines Parlementsmitglieds zu geben. Nun müssen Sie wissen, lieber Freund, daß die Grafschaft Waterford nicht mehr als fünfhundert Freeholders hat. Fünfhundert Genfer also hätten der Grafschaft das Gleichgewicht gehalten; der Genfersche Magistrat hätte immer mehrere gemacht, und in kurzem hätte er das Übergewicht erhalten, und die Genfer würden bald für die ganze Grafschaft die beiden Parlementsmitglieder gemacht haben. Lord ***, ein sehr thätiger Politiker, der zu Dublin so wohl, als zu London vielen Credit, und auf die Grafschaft Waterford sehr vielen Einfluß hat, war einer von denen, die sich widersetzten, und vermuthlich am meisten beytrug, daß das ganze Ding ins Stecken gerieth, und allem Vermuthen nach aus der Sache nichts werden wird. Der Lord handelte aus Überzeugung und wahrhaftem Patriotismus; die Genfer aber betrachten ihn als ihren Feind.

Ich habe eine Menge Bemerkungen über Irland gemacht, und so unbedeutend auch viele davon seyn mögen, so möchte ich sie doch gerne einem Freunde mittheilen, wäre es auch nur, um mich mit ihm zu unterhalten. Überdies präge ich mir alles selbst besser in den Kopf, und


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was einmal niedergeschrieben ist, finde ich bey Ihnen einst wieder. Für mich selbst aber vieles nieder zu schreiben, bin ich zu nachlässig, oder traue meinem Gedächtnisse zu viel. Überdies ist Irland ein Land, das man auf dem festen Lande noch gar wenig oder höchst falsch kennt, und das selbst von Engländern entsetzlich verkannt wird. Ich bin mit den Irländern, deren ich nun eine große Menge kenne, überaus zufrieden, und ich finde, daß sie im Ganzen eine sehr gute Art von Menschen sind, bey denen ein Fremder sich gewiß besser befinden wird, als bey den Engländern.

Ich denke, ich will ein Projekt ausführen, wenn ich, vielleicht in wenig Tagen, meinen hiesigen Aufenthalt wieder verlaße, und dann werd' ich hoffentlich Zeit genug haben, Ihnen eine Reihe von Briefen zu schreiben, die ich Ihnen als ein Depot für mich selbst schicken will.