Corpus of Electronic Texts Edition
Briefe aus Irland nach Sachsen (Author: Carl Gottlob Küttner)

Brief 4

Mittwochs, den 25sten Jun. 1783

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Ich habe überlesen, was ich Ihnen auf den vorhergehenden Seiten von der Gegend geschrieben, in der ich jezt wohne; ich dachte, es könnte nicht ganz und gar ohne Interesse seyn, da es in der Natur so schön ist; aber


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da seh ich nun leider, daß nichts so schwer ist, als Beschreibungen dieser Art, und ich fürchte sehr, daß Sie, anstatt einen Begriff von einem schönen Parke zu bekommen, etwas sehr langweiliges werden gelesen haben. Auch ist mir, wenigstens für diesmal, die Lust vergangen, weiter in meiner Beschreibung fortzufahren; vielleicht finde ich eine mehr dichterische Stunde darzu.

Jetzt will ich Ihnen nur noch sagen, daß der kleine Fluß Clogher zwey Meilen Wegs durch diesen Park macht, daß seine Ufer überaus romantisch sind, und daß er mehrentheils durch einen dichten Wald geht.

Ich komme nun auf die Lebensart, die man hier führt, und die mehr oder weniger, aber im Grunde doch dieselbige aller vornehmen Engländer und Irländer auf ihren Landsitzen ist. Ich mache sie, so viel als möglich, mit, weil ich fast durchgehends bemerkt habe, daß der sicherste Weg immer der ist, es zu machen wie die andern. Zudem ist es eine Art von Höflichkeit, wenn wir zeigen, daß die Belustigungen, die Einrichtungen, die Tafel, kurz die ganze Lebensart des Landes, in dem wir sind, uns gefällt. Dadurch, daß ich alles mitmache, und von den Übrigen mich


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nicht absonder, komme ich mit der ganzen Gesellschaft in eine gewiße Gleichheit und Vertraulichkeit; der Gedanke eines Fremden verschwindet nach und nach, und man betrachtet mich als einen der Ihrigen. Wenn ich nicht so fest an diesem Grundsatz hielte, und von der Nützlichkeit seiner Ausübung so innig überzeugt wäre, so würde ich dies und jenes anders machen, und manchmal lieber auf meinem Zimmer arbeiten, als mit der Gesellschaft müßig gehen.

Mit dem Aufstehen hält es jeder wie er will; wer gern etwas thut, steht bey Zeiten auf, weil die Zeit vor dem Frühstücke die einzige ist, von der er recht mit Gewißheit sagen kann, daß sie sein ist. Zwischen zehn und elf Uhr geht man zum Frühstück, welches hier und in England eine Art Mahlzeit ist, und gemeinschaftlich im Speisezimmer genommen wird. Jedermann erscheint angezogen und frisiert, doch im Neglischee.

Nach einer Stunde ohngefähr sitzen die Mannspersonen zu Pferde, und reiten zwey oder drey Stunden im Parke herum, oder in der benachbarten Gegend. Wir sind manchmal funfzehn Personen und drüber, und dann sind einige Bediente dabey, welche die Thorwege


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aufmachen, das Verlohrne aufheben und in ledernen Riemen Überröcke für die Gesellschaft nachführen. Wenn man wieder nach Hause kommt, geht jedermann auf sein Zimmer, läßt sich frisch frisieren, und zieht sich für das Mittagsessen an, da denn eine förmlichere Toilette gemacht wird, als früh. Sodann bleibt man entweder auf seinem Zimmer und beschäftiget sich, oder man geht in das Gesellschaftszimmer, wo auf einer Tafel alle öffentliche Papiere, Landkarten, etliche Bücher, Almanache, und alles zum Schreiben nöthige, gehalten wird. Hier macht ein jeder, was er will, ohne sich um die Frauenzimmer zu bekümmern, die sich etwan im nämlichen Zimmer befinden mögen.

Um fünf Uhr wird zu Mittage gegessen. Gegen sechs Uhr verlassen die Damen den Tisch, die Mannspersonen setzen sich an einen runden, und lassen Wein herumgehen, welches man tost oder toast nennt. Jeder gießt sich ein, so viel er will, oder läßt die Flasche vorüber gehen, so oft er will. Dieses dauert manchmal bis um sieben Uhr, da man wieder zu dem Frauenzimmer geht und Caffee oder Thee trinkt. Gleich darauf fährt man gewöhnlich in Cabriolets, oder einige gehen spazieren oder spielen Billiard. Wenn man wieder zurück kömmt, setzt man sich zum Kartenspiel. Sieht man, daß man nicht gerade


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nöthig ist, so kann man auf sein Zimmer gehen, oder thun, was man sonst will.

Gegen elf Uhr setzt man sich zur Abend- oder Nachtmahlzeit nieder; eine Gewohnheit, die mir freilich sehr lästig ist. Man kann davon wegbleiben, ohne daß nach einem gefragt wird; allein ich mache alles, wie ich schon gesagt habe, so viel als möglich, wie die anderen. —

Fremde sind täglich am Tische; einige kommen; andere gehen, so daß die Scene sich ohne Unterlaß ändert, und ich oft viele Mahlzeiten nach einander nie den nämlichen Nachbar habe.