Auch hier, lieber Freund, bin ich endlich glücklich und gesund angekommen. Ich danke Gott mit einem wahrhaft gerührten Herzen, daß auch diese Wanderschaft zu Ende ist, ohne daß mir nur das Allergeringste begegnet wäre. Gewiß war diese Reise wegen der Eile, mit der ich sie machen mußte, wegen des vielen Nachtfahrens, und wegen der doppelten Seefahrt, die beschwerlichste, die ich je gemacht habe.2 Gleichwohl ist sie nun vorbey, ich bin nicht ein einziges mal eigentlich krank gewesen, und habe
Nun auf meine letzte Überfahrt! Sie war gerade so, wie ich sie vermuthete, äußerst langweilig, beschwerlich und leidenvoll; ich bin sieben und dreyßig Stunden auf dem Meere gewesen, und habe da im kleinen all die Mühseligkeiten erfahren, deren man auf Seereisen ausgesetzt sein muß. Ich habe oft und viel in Romanen und Reisebeschreibungen davon gelesen; überall aber mangeln gewisse Details, die freilich zum Theil sehr eckelhaft sind, ohne die man sich aber unmöglich einen rechten Begriff davon machen kann. Sie wissen, lieber Freund, daß wir alle gerne von unsern ausgestandenen Übeln reden; und da ich meine Fahrt noch in frischem Andenken habe, so will ich es versuchen, Ihnen eine umständliche Beschreibung davon zu machen.
Den 10ten früh um sechs Uhr gingen wir, nebst ohngefähr zwanzig anderen Passagiers, mit der Fluth unter Segel. Unser Packetboot war wohl noch einmal so groß, als das, in dem ich von Calais kam, folglich war das Verdeck überaus geräumig und bequem; allein das Innere war sehr von jenem unterschieden. In dem zu Calais war nur ein einziges, großes und niedliches Zimmer mit sechs Betten, und auch in diese legt sich selten
Da fast kein Wind war, wurden wir ganz sanft durch die Fluth aus dem Hafen getrieben, und kamen erst nach zwey Stunden aus dem Meerbusen von Holyhead heraus. Trockene, graue Felsen, deren unterer Theil durch das Anspülen des Meeres ganz schwarz ist, einige mäßige Berge, und der Anblick der kleinen Stadt, machen zusammen eine Aussicht, die ohne reich zu seyn, nicht eben unangenehm ist. Nach zwey Stunden bekamen wir Wind, der immer stärker
Jetzt wurde nun unsere Gesellschaft nach und nach kleiner; eins nach dem andern wurde krank und verließ das Verdeck. Der Wind wurde immer stärker; die Wellen flogen häufig auf das vordere Verdeck, wo die Matrosen sind, zerschlugen sich da, und ihre feuchten Theile wurden bis auf das hintere zu uns getrieben. Die Bewegung ist wohl die Hauptursache der Seekrankheit; darzu kommt freilich hernach noch der Gestank von Pech und Theer, das Ausdünsten des Seewassers, das heulende Schreyen der Matrosen, so oft sie ein Thau anziehen, oder ein Seegel wenden, das beständige Knattern des Schiffs, und in der Kajüte der Eckel, den das Erbrechen der andern nebst dem Geruche erregt.
Ich hatte mich bis gegen Mittag auf dem Verdeck erhalten; da es aber endlich anfing zu
Und so glaub ich haben Sie genug von der eckelhaften Scene. In der Natur ist sie; dafür bin ich Ihnen gut; in einem freundschaftlichen Briefe kann sie, der Seltenheit wegen, allenfalls auch einen Platz finden, aber weiter nicht; unsere teutschen Schauspieldichter des letzten Decenniums mögen auch sagen, was sie wollen.3
Ich legte mich nun auch zu Bette, und blieb drey und zwanzig Stunden in diesem engen Gefängniße liegen.
Gegen die Nacht legte sich der Wind, und mit der sanftern Bewegung des Schiffs nahm auch meine Krankheit ab. Schon dieses ist einem große Wohlthat, ob ich schon die ganze Nacht hindurch unausgesetzt leiden mußte. Die Hangmatten sind nicht so eingerichtet, daß man sich auskleiden kann; auch konnte ich mich kaum in einem Tuchkleide und einem Überrocke vor der Kälte sichern. Das lange Liegen ist äußerst schmerzlich. Sie fühlen jeden Knopf, jede Falte Ihres Hemdes und Ihres Kleides. Ihre Lage öfters zu ändern, ist unmöglich, weil jede Bewegung neue Übelkeiten und Erbrechen erregt. Alle Glieder schlafen Ihnen ein, alle Knochen dünken Sie zerschlagen zu seyn. Wenn das Schiff schief geht, und Ihr Kopf auf der hängenden Seite sich befindet, so ist er manchmal um einen Schuh tiefer als Ihre Füße. Das Blut steigt Ihnen in den Kopf und erregt heftige Kopfschmerzen. Vor Ermattung und
Ich wußte, daß in der Nacht der Himmel heiter war und der Mond schien. Wie anziehend würde zu jeder andern Zeit ein Schauspiel, wie dieses für mich gewesen seyn! Der Schimmer des Mondes auf der offenen, freyen See! Und doch hatte ich nicht das geringste Verlangen, das zu sehen; man hätte einen Blick ins Paradies werfen können, ich wär' nicht aufs Verdeck gegangen. Und so ändert sich der Mensch durch die Umstände und wird sich selbst völlig ungleich von einem Augenblick zum andern. Schon heute, ob ich gleich noch alles im frischen Gedächtnisse habe, kann ich nicht mehr recht begreifen, wie ich bey vollen Sinnen so entsetzlich schwach seyn konnte, und vieles ist mir schon wie ein Traum.
Gegen Morgen sagte man, daß man die Küste von Irland sähe, daß aber überaus wenig Wind wäre, und daß er fast gegen uns sey. Die Matrosen machten nun Thee und andere Getränke, die Bewegung des Schiffs war sanft, und die Passagiers fingen allmälig an, wieder etwas zu sich zu nehmen. Nach drey und zwanzig Stunden verließ ich endlich meine Hangmatte, taumelte auf das Verdeck und sahe mich um eilf Uhr Vormittags so nahe an der Irischen Küste, daß ich in zehn Minuten zu Lande dahin hätte gehen können. Wir befanden uns am Eingange in den Dubliner Meerbusen, an der linken Seite, und wir hätten, vermittelst eines Bootes sehr gut landen können. Ich wunderte mich sehr, daß man da keine Häuser und Posten angelegt, um zu Lande nach Dublin zu kommen. In der That kam ein kleines Fahrzeug an unser Schiff; allein niemand wollte sich auf diese Einöde ans Land setzen lassen, und so mußten wir noch acht Stunden auf dem Meere bleiben.
Der Eingang in den Meerbusen ist sechs Meilen4 breit und sehr schön durch ziemlich hohe Berge, die auf beyden Seiten die Landspitzen
Man sagt, der Dubliner Meerbusen sey einer der schönsten in der Welt. Ich weiß es nicht, denn außer dem von Holyhead hab' ich keinen gesehen, indem Dover und Calais keine eigentliche Bay haben. Allerdings ist es ein reizender Anblick, sich mitten in dieser Bay zu befinden, die an manchen Orten wohl zwölf bis funfzehn Meilen breit seyn mag; das Land rings umher zu sehen, die hohen Berge zur linken in mannigfaltigen Formen mit allen den unzähligen Landhäusern und Flecken und Hütten;
Überhaupt hat weder hier noch zwischen Frankreich und England das Meer die große Wirkung auf mich gemacht, von der ich so oft gehört und gelesen. Wenn ich den Genfersee an gewissen Orten betrachtete, und der ferne Horizont in Nebel gehüllt war, so sah ich ein Bild des Meeres. Freilich mag es von einem hohen Berge herab, an einem heitern Abende oder Morgen etwas ganz anders sein; aber dieses Schauspiel hab ich noch nicht gehabt. In Dungarvan in Nordwallis sah ich ohngefähr so etwas, aber die Aussicht war zu eingeschränkt; ich sah ein Stück vom Meere von einer Anhöhe herab, in dem Augenblicke, in dem die Sonne unterging, und eine ungeheure Purpurmauer vom Meere weg sich in die
Als wir vergangene Mittwoche hier ankamen, ließen wir uns vom Zollhause weg auf einem kleinen Fahrzeuge den Fluß herauf führen, stiegen nahe bey T** House aus, und erstaunten nicht wenig, niemanden als den Thorhüter zu finden. Lord P. schickte sogleich zu einigen seiner Verwandten, und da erfuhren wir, daß kein Mensch etwas von unserer Ankunft wußte, daß meine und seine Briefe fehl gegangen, und daß Lord T** auf seinem Landsitze, hundert Meilen von hier, sey. Alles dieß würde mich nicht wenig in Erstaunen gesetzt haben, wenn ich nicht schon gewußt hätte, daß die Briefe auf diesen Eylanden gar nicht mit der Ordnung gehen, wie auf dem festen Lande.