Einst herrschte ein berühmter König über die Lagner, der hieß Sohn der zwei Stummen. Er hatte einen Hund, der ganz Leinster beschützte. Dieser Hund, der überall in Irland gerühmt wurde, hieß Albe.
Eines Tages kamen Leute von König Alill und seiner Frau Medb aus Connaught, die um den Hund bitten wollten. Zur gleichen Stunde kamen auch Boten von König Conchobar, dem Sohn der Ness, aus Ulster, der den Hund ebenfalls begehrte. Man begrüßte sie alle und führte sie zum Sohn der Stummen in den Palast.
Durch den Palast führten sieben Wege zu sieben Türen. Drinnen standen sieben Herde und sieben Kessel, und in jedem dieser Kessel war Ochsenfleisch und gesalzenes Schweinefleisch. Jeder Mann, der vorbei kam, durfte die Gabel in den Kessel stoßen, und was er mit dem ersten Stoß fing, das durfte er essen. Ein zweiter Stoß war ihm jedoch nicht gestattet.
Man führte also die Boten zum Sohn der zwei Stummen, damit er, der auf seiner Liegestatt ruhte, noch vor dem Mahle vernehme, was sie begehrten. Und die Connachter Boten sprachen: Um den Hund zu bitten, sind wir von Alill und Medb hierhergekommen. Du sollst dafür sofort hundert Milchkühe erhalten wie auch den besten Wagen mit zwei Pferden, den es in Connaught gibt. Nach Verlauf eines Jahres erhältst du noch einmal so viel.
Nun traten die Boten von Ulster vor und sprachen: Wir sind von Conchobar gesandt und gekommen, um ebenfalls den Hund Albe zu erbitten. Conchobar ist als Freund nicht weniger wert, denn auch er wird dir Schätze und Vieh geben und nach Verlauf eines Jahres noch einmal die gleiche Menge schicken. Auch wird er stets gute Freundschaft mit dir halten.
Da versank der Sohn der Stummen in tiefes Schweigen. Zwei Tage lang trank er nicht, aß er nicht und schlief er nicht, sondern wälzte sich von einer Seite auf die andere. Schließlich sprach seine Frau zu ihm: Du fastest sehr lange, die Speise vor dir rührst du nicht an. Was ist mit dir? Doch er schwieg.
Da sprach sie weiter
- Störung des Schlafes ward dem Sohn der Stummen
in sein Haus gebracht.
Wohl hätte er zu reden,
doch in Schweigen hüllt er sich.- Von mir weg, zur Wand hin dreht sich
der Irenfürst, der große Held.
Sein kluges Weib bemerkt es wohl,
daß der Schlaf den Mann meidet.
Nun endlich sprach der Mann:
- Crimthann, der Neffe Nars, gebot:
Sag dein Geheimnis keiner Frau!
Frauen bewahren kein Geheimnis.
Sklaven vertraut man kein Juwel.
Die Frau entgegnete:
- Deinem Weibe aber kannst du's sagen,
es wird dadurch nicht schlimmer werden.
Was du selber nicht ersinnst,
fällt gar oft dem andern ein.
Nun antwortete der Mann:
- Mesroids, des Sohns der Stummen Hund -
wehe, daß man nach ihm sandte!
Viele gute Männer fallen
wegen ihm in zäher Schlacht.
- Wird er Conchobar verweigert,
seh ich grauenhafte Folgen:
Meine Rinder, meine Länder -
nichts verschonen seine Heere.- Wag ich Alill abzuweisen,
stürzt sich Irland auf mein Volk.
Matas Sohn wird uns vertreiben,
nichts als Asche bleibt zurück.
Da erwiderte die Frau:
- Einen Rat hab ich für dich,
der diese Folgen wird abwenden:
Gib den Hund doch allen beiden;
mögen sie sich um ihn schlagen!
Jetzt sagte der Mann erleichtert:
- Ja, der Rat, den du mir gibst,
der befreit mich von der Sorge.
Albe, ihn hat Gott gesandt;
niemand weiß, woher er kam.
Nun stand er auf, reckte sich und sprach: So laßt uns und die Gäste, die nach ihm gesandt wurden, guter Dinge sein. Und diese blieben nun drei Tage und drei Nächte beim Sohn der zwei Stummen.
Dann ließ er die Connachter Boten zu sich rufen und sprach zu ihnen: Sorgenvoll habe ich lange geschwankt, bis ich mich nunmehr entschlossen habe, den Hund Alill und Medb zu überlassen. Sie sollen in einem prächtigen Zug zu mir kommen, um ihn abzuholen. Mit Getränken und Speisen werde ich sie empfangen und danach werden sie den Hund Albe erhalten. Richtet aus, sie seien mir willkommen! Mit diesem Bescheid waren die Connachter Boten sehr zufrieden.
Darauf ging er zu den Boten der Ulter und sagte:
Der König hatte nun aber die Edlen aus dem östlich gelegenen Ulster und die aus dem westlichen Connaught auf ein und denselben Tag bestellt. Und die Geladenen versäumten diesen Tag nicht. So erschienen zwei Fünftel der Iren zugleich vor dem Palast des Sohnes der Stummen. Dieser ging selbst hinaus und begrüßte sie: Auf zwei Heere auf einmal waren wir nicht vorbereitet. Dennoch, ihr Männer, heiß ich euch willkommen. Kommt herein!
Da zogen sie alle in den Palast. Die eine Hälfte wurde den Connachtern und die andere Hälfte den Ultern zugewiesen, denn das Haus war mit seinen sieben Türen und zwischen je zwei Türen fünfzig Liegestätten sehr groß. Aber man sah keine Gesichter, wie sie Freunde beim Mahl zeigen, denn viele under den Gästen hatten miteinander schon einen Streit ausgefochten, da schon seit dreihundert Jahren vor Christi Geburt Krieg zwischen Connaught und Ulster bestand.
Nun, nachdem sich alle zum Mahle niedergelassen hatten, schlachtete man den Gästen das Schwein des Sohnes der Stummen. Sieben Jahre lang hatte man es mit der Milch von sechzig Kühen ernährt. Gift hatte man jedoch der Milch beigegeben, damit möglichst viele Männer Irlands um seinetwillen umkämen.
Man brachte das Schwein und dazu noch vierzig Ochsen und andere Speisen. Der Sohn der Stummen trat als Haushofmeister in die Mitte und sprach: Seid mir willkommen. Das Schwein hat nicht seinesgleichen. Wir, die Lagner, haben viele Rinder und Schweine, sollte, was
Du wirst deine Männer heute abend brauchen, Conchobar, meinte Senlaech Arad aus dem Conalad-Röhricht in Connaught. Schon oft haben sie mir ihre fetten Rinder überlassen müssen, wenn ich ihr Vieh auf den Straßen des Dedad-Röhrichts forttrieb. Ha, fetter war aber jenes Rind, das du uns hast überlassen müssen: deinen eigenen Bruder, Cruachniu Ruadloms Sohn von den Conalad-Hügeln. Der ist vergessen, warf Lugid Cu-Rois Sohn ein, wie Loth der Große, der Sohn Fergus', des Sohnes Letes, der in Temir Lochra in der Gewalt Echbels, des Sohnes Dedas, blieb. - Was sagt ihr denn dazu, fragte der Ulter Keltchir, Uthechars Sohn, daß ich Hornhaut Dedas Sohn erschlug und ihm den Kopf abhieb?
Mit solchen Reden kamen sie schließlich hart aneinander, bis sich ein Mann über die Männer Irlands erhob. Es war Ket Matas Sohn aus Connaught. Der hängte zum Zeichen seines hohen Ranges seine Waffen höher als die Schar der Krieger. Er nahm nun ein Messer und setzte sich neben das Schwein. Jetzt soll sich ein irischer Mann finden, sagte er, der den Wettstreit mit mir aufnimmt, andernfalls werde ich das Schwein zerlegen.
Da verstummten die Ulter. Schaust du zu, Laegire? rief Conchobar. Nein, dazu, daß Ket vor unseren Augen das Schwein zerlegt, wird es nicht kommen, erwiderte Laegire. Nur langsam, Laegire! entgegnete Ket, laß mit dir reden. Bei euch Ultern herrscht der Brauch, daß jeder Knabe, der die Waffen erhält, sein erstes Waffenspiel gegen uns spielt. So kamst auch du ins Grenzland. Wir gerieten dort aneinander. Du aber entflohst, von einem Speer durchbohrt, und ließest Rad und Wagen und Pferde zurück. Du wirst das Schwein nicht anrühren! Da setzte sich Laegire.
Dazu wird es nicht kommen, sagte nun ein großer, schöner Krieger, indem er seine Liegestatt verließ und vortrat, daß Ket vor unseren Augen das Schwein zerlegt. Wem gehört der? fragte Ket. Er ist ein besserer Kämpfer als du, hieß es da. Oengus, Sohn von Hand-in-Gefahr nennt man ihn, aus Ulster. Und weshalb heißt dein Vater Hand-in-Gefahr? fragte nun listig Ket. Weshalb denn? Ich weiß es, entgegnete Ket. Einmal zog ich ostwärts nach Ulster. Ringsum schrie man auf. Alle eilten herbei. Auch Hand kam. Er warf einen großen Speer nach mir. Ich schleuderte ihm denselben zurück, der schlug ihm die Hand ab, so daß sie zu Boden fiel. Warum sollte also sein Sohn zum Wettstreit gegen mich antreten? Da trat auch Oengus zu seinem Sitz zurück.
Haltet den Wettstreit aufrecht, forderte Ket die Anwesenden auf, oder ich zerlege das Schwein. O nein, dazu wird es nicht kommen, daß du es vor allen anderen zerlegst, sagte nun ein ebenfalls schöner, großer Krieger aus Ulster.
Sorgt weiter für den Wettstreit, Ulter! rief Ket nun abermals. Noch wirst du's nicht zerlegen, hielt Dickhals Gergenns Sohn ihm entgegen. Ist das nicht Dickhals? fragte Ket nun herausfordernd. Ich habe Wort gehalten, Dickhals, denn keine zwei Tage sind es her, daß ich die Köpfe von drei Kriegern aus deinem Lande davontrug - in der Mitte den Kopf deines ersten Sohnes. Da setzte sich auch der. Weiter mit dem Wettstreit, rief Ket. Den sollst du haben, entgegnete Menn, Sohn von Fersen-Schwertchen. Wer ist denn der? fragte Ket die Menge. Menn, lautete die Antwort. Ach was! Der Sohn von Kerlen kommt zum Wettstreit mit mir? Ha, durch mich erhielt dein Vater seinen Namen. Ich hieb ihm die Ferse mit dem Schwert ab, so daß er auf einem Bein vor mir floh. Was sollte den Sohn des Einbeinigen zu mir führen? Da setzte sich auch Menn.
Weiter mit dem Wettstreit! rief Ket erneut.
Nun, wer will noch gegen mich antreten? rief Ket abermals. Das kannst du haben, entgegnete Cuscrid der Stammler von Macha, König Conchobars Sohn. Wem gehört der? fragte Ket. Es ist Cuscrid, entgegnete man ihm. Ein König wird er werden. Dank weiß ich dir keinen, sagte der junge Mann zu Ket. Wohlan, erwiderte dieser. Dein erster Waffengang führte dich zu uns, Bursche. Im Grenzland gerieten wir aneinander. Ein Drittel deiner Leute erlagen im Kampf. Du selber entkamst mit einem Speer durch den Hals. Seitdem kannst du kein Wort mehr richtig sprechen, denn der Speer hat dir die Sehnen des Halses durchschnitten. Darum heißt du seither Cuscrid der Stammler. Auf solche Weise beschimpfte er das ganze Fünftel der Ulter.
Wie er nun vor dem Schwein frohlockte, das Messer in der Hand, kam Conall Kernach herein. Der sprang mitten in die Runde, und die Ulter begrüßten ihn laut. Selbst Conchobar nahm seinen Kopfschmuck ab und schwang ihn.
Da sang Ket:
- Willkommen, Conall! Herz von Stein!
Glut des Feuers! Gleißen des Eises!
Zorniges Blut in des Helden Brust,
des narbigen Schlachtensiegers!
Du, Sohn der Finnchaem, kannst dich mit mir messen.
Und Conall erwiderte:
- Willkommen, Ket! Erstgeborener Matas!
Ein Heldenort dein Herz von Eis!
Schweif des Schwans! Wagenheld der Schlacht!
Stürmendes Weltmeer! Herrlich wütender Stier!
Ket Matas Sohn!
Das wird sich zeigen, wenn wir uns treffen,
und wird sich zeigen, wenn wir uns trennen.
Der Ochsentreiber wird davon erzählen,
der Handarbeiter davon zeugen.
Helden werden zum wilden Löwenkampf schreiten,
Mann stürzt sich über Mann heute nacht in diesem Haus.
Laß vom Schwein ab! sagte Conall nun. Was willst du denn bei ihm? fragte Ket. Ihr habt das Recht, den Wettstreit mit mir zu fordern, erwiderte Conall. Eines will ich dir noch sagen, Ket, und ich schwöre, was mein Stamm schwört: Seit ich
Kommt zum Wettstreit! rief Conall. Doch fand sich unter den Connachtern kein Krieger, diesen zu bestehen. Rings um Conall herum aber hielt man Buckelschilde wie ein großes Faß, denn auch in diesem Haus war es Sitte, daß tückische Menschen hinterrücks Speere warfen. Nun machte sich Conall ans Zerlegen des Schweins; dazu nahm er das Ende des Schwanzes in den Mund. Und er sog den Schwanz, an dem neun Männer zu tragen hatten, ganz ein, so daß nichts mehr von ihm zu sehen war.
Den Connachtern aber gab er bei der Verteilung nichts weiter als die Vorderfüße des Tieres. Dieser Anteil war den Connachtern zu klein, und sie sprangen auf. Da sprangen auch die Ulter auf, und man stürzte aufeinander los. Man schlug aufeinander ein, und bald türmten sich die Toten im Hause so hoch wie die Seitenwand war, und Bäche von Blut flossen durch die Türen. Nun drängten die Scharen hinaus, und gewaltiges Getöse erhob sich auch draußen. Das Blut auf dem Boden des Hofes hätte eine Mühle antreiben können, so hieb einer auf den anderen ein. Ferguß riß eine große Eiche samt den Wurzeln aus, die mitten im Gehöft stand, und
Schließlich trat der Sohn der Stummen heraus, den Hund an seiner Seite. Den wollte er auf die Kämpfenden loslassen, um zu sehen, für welche Seite des Hundes Spürsinn Partei ergreifen werde. Der Hund entschied sich für die Ulter und stürzte sich auf die erliegenden Connachter, denn diese flohen. Man erzählt, in den Albe-Feldern habe der Hund die Stange des Wagens, in dem Alill und Medb fuhren, gepackt. Da traf ihn Fer-Loga, der Wagenlenker von Alill und Medb, derart, daß er auf die Seite fiel, der Kopf aber an der Wagenstange festgebissen blieb. Eben deshalb sagte man Albe-Feld, weil der Hund Albe hieß.
Die Flucht ging weiter, nordwärts auf der Mugna-Straße von Alt-Roiriu, durch die Midbine-Furt in Mastiu, am Criach-Rücken vorbei, der heute Kildare heißt, an Imgans Burg vorüber in den Gable-Wald, zu Mac Lugnas Furt, am Rücken zweier Felder vorbei, über Corpres Brücke. Bei der Hundskopf-Furt in Bile, da fiel der Kopf des Hundes von der Wagenstange. Als man westwärts durch die Heide von Mide kam, ließ sich Fer-Loga, Alills Wagenlenker, ins Heidekraut nieder, sprang hinter dem verfolgenden Conchobar auf den Wagen und packte von hinten dessen Kopf. Danke mir's, wenn ich dir das Leben lasse, Conchobar! Wähle frei, erwiderte Conchobar. Nichts Großes verlange ich von dir, sagte Fer-Loga. Nimm mich mit nach Emin Macha, und um jede neunte Stunde sollen die Frauen, die ohne Männer sind, wie auch die erwachsenen Mädchen von Ulster ein Kepok-Lied über mich singen und sagen: Fer-Loga ist mein Schatz. So geschah es auch, denn man wagte Conchobars wegen keine Verweigerung.