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Die Geschichte des Nuada Find Femin (Author: Unknown)

section 2

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. . . nicht hatte er Kunde von irgendeinem von ihnen erfragt und wußte nicht, ob sie eine noch größere Zahl waren.


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Darauf ging er in seine Jagdbude und legte sich seine Waffen zur Seite und sein Schild vor die Tür der Bude und schlief ein nach solcher Vorbereitung.

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Sodann sprach der König von Lochlann: ‘Unsre Leute sind weitab’, sprach er, ‘und sie warten auf Kampf und Streit.’ ‘Ich werde gehen, nach ihnen zu forschen’, sagte der Königssohn von Lochlann, nämlich Lulach Osberns Sohn, und er erhob sich flugs und neunhundert Helden mit ihm zusammen, und sie gelangten an die Stelle, wo ihre Leute erschlagen worden waren, und sie erblickten die blutroten Leiber und die Köpfe auf den Stangen, und sie erkannten sie und erblickten die Waldhütte neben der Quelle. ‘Kleine Waldhütte’, sagte der Königssohn von Lochlann, ‘wenn aus dir heraus diese übeltaten ausgeführt wurden, sind die Taten gewaltig, die aus dir kommen.’ ‘Meiner Treu, nicht aus ihr’, sagten sie, ‘außer wenn es Erdhöhlen unter ihr gibt oder große, sehr weite Höhlen, worin sich eine zahlreiche Menge von der Schar befinden mag.’ ‘Durchsucht sie zusammen’, sprach der Königssohn von Lochlann.


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Ein Mann von ihnen ging sofort zur Tür der Hütte und schaute am Schild vorbei hinein und erblickte den freundlichen, liebenswerten Jüngling darin schlafend. Und er ging sofort unter seine Leute und brachte ihnen die Kunde und erzählte: ‘Ich sah nur einen jungen, schönen, strahlenden Burschen dort in der Hütte schlafen, und ich weiß es nicht, ob er's ist, der diese großen Taten ausgeführt hat,’ ‘Fragen wir ihn’, sagten sie, ‘und stoßen wir die Lanze jedes Mannes in ihn hinein.’ ‘Wir werden das nicht tun’, sagte der Königssohn von Lochlann, ‘er soll nicht von uns im Schlaf gemordet werden, sondern weckt ihn schleunigst für uns.’

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Einer von ihnen ging zur Tür der Hütte und erschütterte den Schild. Und dadurch wachte Nuada auf und erhob sich sofort, ergriff seine Waffen und faßte seinen Schild und trat hinaus. Und er erblickte draußen die neunhundert mit ihrer Menge von Schilden und Schwertern. ‘Wer vollbrachte diese großen Taten, Jüngling?’ fragte der Königssohn von Lochlann. ‘Sie fielen durch mich’, antwortete Nuada. ‘Bei meinem Wort!’ sprach der Königssohn von Lochlann,


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‘nie tat es dir in heutiger Zeit je ein Mensch gleich an Abenteuern, die gewaltiger wären als diese hier. Aber trotzdem wirst du hier fallen, und du wirst es bereuen.’

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Jener betrachtete den jungen, schönen, herrlichen, schönfarbigen Jüngling bei ihrer Unterredung, nämlich den Königssohn von Lochlann, und solcher Art war jener: er und Nuada hatten dasselbe Alter, und ähnlich waren ihre Gestalten und gleich lang ihr Haar und sie selbst von gleichem Maß. Und Nuada fragte ihn: ‘Wer bist du?’ sprach er. ‘Lulach, Osberns Sohn ist dort’, sagten sie, ‘nämlich das ist der Königssohn von Lochlann, und er selbst ist bestimmt zum König von Lochlann.’ ‘Wenn's so ist, Jüngling ’, sprach Nuada, ‘ernte du nicht dein Glück auf meinem Unglück’, so sprach er, ‘denn auf der Flucht vor meiner Ermordung gehe ich aus meinem Lande, und es gibt keinen Königs- oder Fürstensohn, den ich mir zum Kampfspiel wünsche, es sei denn, er forderte mich selbst ungebührlich.’ ‘Meiner Treu’, sagte der Königssohn von Lochlann, ‘es wird dir verziehen werden, was du je tatest, und begib dich


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zu meinem Gefolge ehrenvoll und würdig, und kehre nie wieder in dein eigenes Land zurück, und dir wird viel Reichtum von mir zukommen.’ ‘Wo ist der König von Lochlann?’ sprach Nuada. ‘Da unten im Hafen’, sprach er, ‘und ein jeder von ihnen hat ein Schiff aus Lochlann gleich ihm.’ ‘Zu welcher Unternehmung seid ihr hergekommen?’ fragte Nuada. ‘Irland für uns zu erstreiten’, sprach der Königssohn von Lochlann, ‘und zu töten, was es darin an tüchtigen Männern gibt.’ ‘Eine gewaltige Sache das!’ sagte Nuada. ‘Wird Tribut oder Steuer von ihnen genommen werden, oder werden sie selbst getötet?’ ‘Ich glaube, es wird kein Tribut genommen werden’, sprach der Königssohn von Lochlann. ‘So wirst du blutigen, heftigen Kampf finden durch die irischen Männer’, sprach Nuada. ‘Krieger!’ sagte der Königssohn von Lochlann, ‘weile du bei mir selbst, und alles, was du bisher an Schaden getan hast, wird dir vergeben werden.’

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Nuada antwortete also und sprach dies: ‘Es gibt


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keinen Königssohn, der seine Schulter unter die Wölbung seines Schildes gegeben hat, der mir wert wäre, bei ihm zu sein, es sei denn, er habe zuerst die Herrschaft angetreten, die ihm zukam.’ Und er sprach folgendes Lied:
    1. Jüngling, der du übers Meer kamst,
      kämpfe nicht gegen einen vielgehaßten Mann!
      Laß nicht deine leuchtende Gnade vergehen
      angesichts eines Wanderers von edler Herkunft.
    2. Deine großen übeltaten würde man dir nicht vergeben
      wegen deines blutigen Kampfes.
      Man würde dich strafen, ehe du zu deinem Heim gehst,
      wegen des Tötens der Lochlann-Männer.
    3. Alles, was ich hier tötete
      an Lochlann-Scharen ohne übermaß,
      das würdest du nicht schmähen,
      wüßtest du Bescheid, Jüngling.
‘Wenn du bei mir bliebst’, sagte der Königssohn von Lochlann, ‘würden wir dir nicht Untergang bereiten, und wenn du nicht bei mir bleibst, wirst du baldigst Kampf finden.’

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‘Ich bleibe nicht bei dir’, sagte Nuada, ‘sind sie es, dein Gefolge, das auf mich loskommt, oder bist du es selber?’ ‘Ja, meine Leute’, sagte er, ‘entweder, bis du fällst durch sie oder sie alle durch dich fallen.’ ‘Gesteht man mir ehrlichen Zweikampf zu, ihr Helden?’ fragte Nuada. ‘Nein, in der Tat’, sagten sie, ‘sondern eine Heldenschar von zehn Mann geht auf einmal zum Kampfe mit dir, bis eine Hundertschaft voll ist. Und wenn du jene fällst, werden hundert andere zum Kampfe gegen dich geführt.’ ‘Es geschehe also’, sagte Nuada, ‘und geht nicht darüber hinaus!’ ‘Wir werden es nicht tun’, sprachen sie.

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Zehn von ihnen erhoben sich ihm entgegen, und sie wurden sehr bald durch ihn gefällt. Und es wurden jedesmal zehn mehr gegen ihn gebracht, bis hundert erreicht waren, und sodann kamen hundert gegen ihn, und sie fielen alle durch ihn. Aber nichtsdestoweniger tötete er sie zu Hunderten nacheinander auf diese Weise, so daß nur zwei von ihnen blieben, nämlich der Königssohn von Lochlann und ein Held von seiner Schar. Und er sagte das Lied:


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    1. Blutig ist dein Gemetzel, du Held!
      Nuada, der du den Tod bringst!
      Es wird von dir voll bezahlt werden
      alles, was du von unsern Heeren niederschlägst.
    2. Vergeben wird man dir alles Schlimme, das du verübst,
      und weile bei mir selbst, König.
      Man wird dir . . . überlassen zum Geschenk
      hier zum Lohne.
    3. Noch nie hat den Schild vor sein Antlitz gehalten
      ein Königssohn, der mir wert gewesen, bei ihm zu sein,
      aber wenn dir viel daran liegt,
      dann laß uns blutig kämpfen.
‘Blutig sind jene Taten, Jüngling’, sprach der Königssohn von Lochlann, ‘und meiner Meinung nach ist's eines Helden Trefflichkeit.’ ‘Das sehe ich’, sprach der Jüngling, ‘und rächt ihr sie, oder kommt ihr zum Gefecht gegen mich?’ ‘Ich werde fürwahr kommen’, sagte er, ‘denn obgleich

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die Herrschaft von Europa mir übertragen würde, ließe ich dich nicht lebendig heraus, nach der Ermordung meiner Leute, und auf diese Weise soll gekämpft werden’, sprach er, ‘nämlich der eine meiner Leute wird zu jener befestigten Anhöhe gehen, um uns als Zeuge zu beobachten, und wenn ich es bin, der fallen wird, soll er sich dorthin begeben, wo der Adel von Lochlann sich aufhält und ihnen Kunde geben.’ ‘So soll es geschehen’, sprach Nuada. Und der eine von den Leuten des Königssohnes von Lochlann ging zur befestigten Anhöhe in ihrer Nähe und ließ sich dort nieder, um sie zu beobachten.

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Da stürmte einer auf den andern los, kühn, scharf schießend, feurig und wütend, wuchtig, mannhaft und heldenmäßig, fauststark, löwenartig und männlich stark, sehr machtvoll. Und jeder von ihnen wünschte den anderen recht stark und wirklich wuchtig anzugreifen, so daß sie gefährliche Wunden und stets kraftvolle und ewig schlimme Hiebe dem andern austeilten.

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So stand es nun mit der Gewandtheit im gegenseitigen Verwunden und mit der Geschicklichkeit des Ringkampfes, daß keiner von ihnen über den andern einen Vorteil hatte noch ihm eine tödliche Verwundung zufügen konnte, eine lange Zeit hindurch.


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Hierauf aber ward jeder über den andern erzürnt und erbost, und sie stürmten hart, übermäßig, wahnsinnig, und der Zweikampf ward beschleunigt, und das Gefecht wurde härter, und sie packten die tief einschneidenden heldenmäßigen gewaltigen Schwerter, und jeder schlug auf den andern zu mit sehr starken, wütenden Vernichtungsstreichen.

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Hierauf erhob Nuada die Hand mit der langen, bläulich geschliffenen Klinge und schlug nach dem Fuße des Königssohnes von Lochlann. Der Königssohn von Lochlann fing den Hieb auf und riß den Schild nieder zur Verteidigung seines unteren Körpers. Und Nuada hob flink die Hand und schlug den Königssohn von Lochlann in das Schmale des Körpers, in den Nacken, und trennte sein Haupt vom Nacken ab, so daß er entseelt niederfiel, und er riß ihm seine königliche wunderschöne Kleidung ab und seinen goldnen, wunderbaren Gürtel und tat sich sowohl Kleidung wie Gürtel als auch Gewand selbst um und tat seine eigne Rüstung unter den Königssohn von Lochlann. Und indem er seine Verletzungen und Wunden betrachtete, sprach er das Lied hier:

    1. Traurig ist es, Jüngling mit dem leuchtenden Haar,
      der aus dem üppigen Lochlann kam.

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      Rot sind deine beiden Seiten von deinem Blut,
      durch die Hände des starken Nuada.
    2. Wäre es nicht dein stolzer Sinn gewesen
      und was du vollbrachtest mit böser Rede,
      ich hätte dich nie aus eigenem Antrieb getötet,
      bevor ich ins unbekannte Land zog.
    3. Ich werde nun deinen purpurnen, edlen Schild tragen
      und deinen Mantel mit Goldstreifen
      und deine Tunika mit prächtigem Purpur
      und deinen Gürtel, du schöner Jüngling.
    4. Dein wohlgeformtes, goldenes Schwert
      wird in des starken Nuada Faust sein,
      dein Speer mit vergiftender Zauberrune
      wird mich fortan ins fremde Land begleiten.
    5. Klagen werden die Kämpen über jeden von uns beiden,
      klagen werden die Helden der zwei Heere.
      Sláine wird einen Tränenschauer von ihren Wangen fließen lassen;
      eine große Zahl Menschen wird dadurch betrübt sein.


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Und darauf begab sich Nuada weiter und wandte dem festen, sehr großen, grauen Felsen, in dessen Nähe er sich befand, den Rücken und baute einen außerordentlich großen Wall aus dem Gehölz rings herum und eine einzige Tür zu der Befestigung. Und er tat die Rüstung und Bewaffnung der soeben getöteten Heerschar darum, so daß jener Wall für ihn eine vollständige Feste bildete. Soweit nun, was ihn betraf.

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Was nun den Krieger des Königssohnes von Lochlann betrifft, so machte er sich, nachdem er seinen Herrn hatte fallen sehen, im schnellsten Lauf auf und davon, bis er zur Flotte gelangte. Und sie wurden seiner ansichtig, wie er auf sie zustrebte. Und wäre er Tag und Nacht in der Erde gewesen — seine Gestalt und Farbe hätte nicht elender sein können! Und ein jeder heischte Kunde von ihm. Er sprach zu ihnen: ‘Die große Heerschar, die von euch fort zu Lande ging — von denen entkam kein Flüchtling mit dem Leben — außer mir allein. Und gefallen ist der Sohn des Königs von Lochlann!’ ‘Wer hat jene großen Untaten begangen?’ fragte der König von Lochlann.


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‘Ich weiß nur’, so sprach er, ‘daß es ein einzelner, junger, schöner, vornehmer Jüngling war. Und nicht gab es Schlachtgewimmel noch Heer um ihn, sondern ganz allein war er. Und der Königssohn, der treffliche Mann, fiel durch ihn.’ Und diese Kunde schien ihnen wunderbar. Und sie hätten nicht gemeint, daß es so viele Menschen oder Waffen in Irland gegeben hätte, um jene Scharen töten zu können.

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Und sie stießen rauhe, grausige Schreie aus und ganz laut hohe, gewaltige, mächtige Jammerlaute, und es wurden Trompeten und Hörner von ihnen geblasen, und einer erzählte jenes Geschehnis dem andern, und der König sprach zu ihnen: ‘Unternehmt nun’, sprach er, ‘einen gierigen, sehr heftigen Ansturm auf das Land.’ Und so taten sie, so daß ihr Echo in den mächtigen, öden Abhängen und Schluchthalden und Waldgehegen erklang, nämlich das Ruderschlagen der bemannten vollen, großen Schiffe, wie sie stark und machtvoll zu Lande zogen, und das Lärmgetöse der harten, eisernen Panzer und der Schildränder der Schilde, wie sie aneinander prallten, und jeder, wie er seine Waffen ergriff; und alle gingen darauf zu Lande.

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Und der Krieger des Königssohnes von Lochlann sagte ihnen, sie sollten dort Aufenthalt nehmen und sich in


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Trupps auf die Insel begeben. Und ‘dies Land, in das ihr gekommen seid’, sagte er, ‘aus dem soll euch lebend kein Mann entkommen’.

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Sie taten also, und sie richteten sich sodann ein und erfüllten die Häfen der ganzen Insel.

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Als der König von Irland und der Adel seines Volkes das sah, beklagten sie jene schwierige Lage, in welcher sich der Königssohn von Irland befand. Der König von Irland sprach: ‘Obgleich wir in kleiner Anzahl sind’, sagte er, ‘so ist's jammervoll, daß wir mit Nuada nicht . . . sind, denn das väterliche Gefühl ist über meine Seele gekommen.’

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Was nun die Lochlannleute betrifft, so machten sie sich auf zu Nuadas Verfolgung. Und sie griffen ihn in so dicht gedrängten Massen an, daß sie nicht ihre Waffen gebrauchen oder erheben konnten.

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Als Nuada das sah, erhob er sich flugs, rasch bereit und ergriff die Waffen des Königssohnes von Lochlann, und er kam in Erwartung der Schar heraus aus seinem festen Bau und gelangte unter sie und durch und über sie, und er beschleunigte die Hiebe, und es erhoben sich zwei glänzende


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feurige Säulen vor seinem Antlitz, so daß es ihnen nicht möglich war, auf ihn zu schauen, geschweige denn, ihn lange anzublicken. Und so gewaltig und rasch griff er sie an, daß er nach jeder Seite eine weite Lücke aus ihnen herausschlug. Er teilte und verwirrte sie und ging zu seinem festen Bau. Und darauf wurde er nicht mehr bedrängt.

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Und also ging das, bis ein nebliger Sonnenuntergang am Abend eintrat und die Farbe von feuriger Asche über der Sonne lag. Und eine große Menge der Heerschar war schon durch ihn bis dahin gefallen. ‘Gewähre uns eine nächtliche Ruhepause heute Nacht, Bursche’, sprach der König von Lochlann. ‘Ich werde es tun’, sagte er, ‘und begebt euch in eure Schiffe; denn uns gehört das Inselland und euch das Meer, und ihr dürft auf diesem Boden nicht bleiben.’ ‘Das ist wirklich qualvoll’, sagten sie, ‘in unsern Schiften zu lagern und auf den Ruderbänken, und heute Nacht werden wir nicht diese Insel verlassen.’ ‘Wenn ihr mir heute Nacht Nahrung oder Aufwartung bringt, will ich euch gewähren, an Land zu bleiben.’


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‘Wir werden es tun’, sagten sie. ‘Dann also’, sagte Nuada, ‘bringt mir [Nahrung] und Getränk.’

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Einige von ihnen erhoben sich flink und brachten Nuada Nahrung und Trunk. Nuada sprach: ‘Kostet erst selbst jene Speisen und Getränke’, sprach er. ‘Natürlich ist's, daß ich nicht weiß, ob es für mich vertrauenswürdig ist.’ Und sie taten also und begaben sich fort von ihm. Und er aß sich satt.

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Was nun die große Schar hierauf betrifft, so wurden mächtig große Feuer und Fackelbrände von ihnen entzündet, und sie waren betrübt und kleinmütig, bis der Tag in vollem Lichte kam.

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Was aber den König von Irland betrifft, so schickte er Botschafter und Kundschafter über ganz Irland vor sich aus, zur Versammlung und Auswahl gegen die Fremden, um seinem Sohne zu helfen und ihn aus der Not zu ziehen, in der er sich befand.

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Was nun die Kriegerschar von Lochlann betrifft, so erhoben sie sich tags darauf in aller Morgenfrühe. Sie ergriffen ihre Waffen und gingen aus, Nuada zu treffen. Nuada begab sich unter sie und bahnte sich breite, volle, große


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Straßen und Lücken von Hunderten durch sie nach allen Seiten hin. Er zerschmetterte Schilde und Brustpanzer und schön goldige Helme. Er zerhieb die schönen weißhäutigen Leiber der Helden und arbeitete also eine Zeitlang unter ihnen, bis eine große Schar gefallen war. Dann wandte er sich von ihnen und ging in seine Feste. Dort war er eine kleine Weile, als die Heere wieder um ihn herum tobten. Nuada erhob sich gegen sie und unternahm einen heftigen, schnellen Angriff auf sie, so daß er sie . . . haufenweise völlig tot zu Boden und auf die blanke Erde warf. So war er hiermit beschäftigt, sie gewaltig zu besiegen, bis die Mittagzeit des Tages kam.

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Also geschah es, daß Nuada eine blutige, vernichtende Entschließung faßte. Er gab ihnen sein Wort, er würde sich nicht von den Scharen wenden, bis er sie in ihre Schiffe gebracht hätte oder bis alles durch ihn fiel, oder er durch sie. Er wandte sein Antlitz wieder gegen sie, und eine stürmische, verwirrende Niederlage kam über sie vor der Königsfeste von Lochlann, wo sie einen Wall und eine schwer zu beschädigende Befestigung hatten um den öberkönig von Lochlann. Nuada


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verfolgte sie bis zur Toröffnung des Walles und vernichtete sie vorne und rückwärts und nach allen Seiten. Er versetzte ihnen Stiche und Schnitte und zermalmende Wunden, so daß es für sie keinen Ort gab, wohin sie entfliehen und entrinnen konnten. Er war nicht lange bei diesem Herumrasen, als er bemerkte, wie sich der eine große Kriegsheld ihm zuwandte, seine Knie vor ihm beugte und ihn um Schutz bat.

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Nuada fragte ihn nach Kunde. Und er erzählte ihm, daß er vom Geschlechte Éremóns, Míl's Sohn sei, nämlich aus der Mitte der Provinz Genands, daß sein König über ihn ein unsinniges Urteil ausgesprochen hatte und daß er mit ihm den Kampftag teilen würde. Nuada willigte darin ein. Er sagte sodann zu Nuada, er sollte den Wall über ihnen abschließen und die Tore festmachen und keinen von ihnen herauslassen, bis er seinen Willen von ihn erlangte.

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Nuada erhob sich dann und füllte die Tore mit Felsen mit rauher Oberfläche aus und mit sehr großen Steinplatten, ganz starken Barren und sehr großen breitbohligen Balken, so daß es im ganzen Wall keine Stelle gab, die fester war und schwerer zu beschädigen als die Tore.

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Nuada sagte darauf dem greisen Krieger, er solle ihm


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Bescheid sagen, wie er auf das Schiff des Königssohnes von Lochlann gelangen könne. Und der Held gab ihm die Auskunft. Und sie gingen hinein. Und zahlreich war nun die große Masse an Schätzen darin, sowohl an Gold wie Silber, an Waffen und Kleidung und an kostbaren Steinen. Sie verzehrten Speise und Getränke darin, bis sie genug hatten. Und sie schliefen dort die Nacht durch bis zum Anfang des früh hellen Morgens vom nächsten Tage. Und dann gingen sie zum Heere und belagerten sie und verhandelten mit ihnen. Und bei jenen hatte gewaltiger Durst und großer Mangel an Nahrung und Getränk um sich gegriffen, und sie hatten bei sich verwundete und verstümmelte Männer. Und sie vergingen vor Schwäche hinsterbend. Und sie flehten Nuada an. ‘Jüngling’, sprachen sie, ‘wirst du uns Friedensbedingungen gewähren? Denn, wahrhaftig, lieber wäre uns, du triebst uns in den Tod, als der Zustand in diesem Elend hier!’ ‘Ich werde euch Bedingungen auferlegen’, sagte er, ‘und gewährt sie mir!’ ‘Wir werden dir alles geben, was du wünscht’, sprachen sie. ‘Habt ihr Gold und Schätze und edles Gut bei euch zulande, um es mir zu geben?’

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‘Du wirst vollauf bekommen, was du bestimmen wirst’ sagten sie. ‘Wenn ich in eure Heimat komme’, sprach er, ‘gebt es mir, und wenn nicht, mag es euch bleiben.’ ‘Du wirst es erhalten’, sprachen sie. ‘Und Boote und Schiffe eines jeden, welchen von eurem Volk ich tötete, sollt ihr mir geben, mit allem Guten darinnen an Waffen und Gewandung soll man mir geben.’ ‘Du wirst es erhalten’, sagten sie, ‘und du würdest noch mehr erhalten, wenn du es wünschtest.’

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Nachdem Nuada diese übereinkunft mit den Lochlann-Männern getroffen hatte, ließ er sie hinaus, und sie hielten nicht an, bis sie in ihre Schiffe gekommen waren und dann ihre Segel gelichtet hatten. Sie durchfuhren das Meer nach der Erfolglosigkeit ihres Kampfes, erfüllt von ihrer Schwäche und Schande.

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Was hiernach Nuada betrifft, so ging er ins Schiff des Königssohnes von Lochlann, und zusammen mit ihm sein Gefolgsmann. Und sie steuerten es hinaus. Und Nuada setzte sich auf die große Mittelbank des Schiffes und ergriff mit


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jeder Hand ein Ruder, und ein flinkes Rudertreiben führte sie vom irischen Lande fort. ‘Wir fahren nun fort’, sprach sein Gefolgsmann zu ihm. ‘Noch nicht’, sprach Nuada, ‘sondern, wenn es dir lieb wäre, setze ich dich in Irland ab.’ ‘Das gefällt mir aber nicht’, sprach jener, ‘denn du bist's dem ich folgen werde, solange ich lebe.’ Und sie fuhren darauf hinaus über die Höhenketten des Ozeans, Und er sprach das Lied hier:
    1. Nur ein Mann ist heute Abend in meiner Gefolgschaft.
      Ich werde mit ihm von Hafen zu Hafen schweifen,
      fern von Irland und Alba,
      hinter jedem Fremden her.
    2. Der erlogenen Tat wegen, deren mich Uane beschuldigte,
      ward ich weit fort von ihr verbannt.
      Die Tochter des Königs von Leinster, so scheint es uns.
      duldete nicht meine Anwesenheit in Irland.

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    4. Bis man weiß, ob es Lüge oder wahr ist,
      was mir mein Mißgeschick brachte,
      werde ich die Frau nicht wiedersehen,
      die mich fortgeschickt hat und den einen Mann.

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Was nun die Männer von Irland betrifft, so schien es ihnen sicher, daß Nuada tot war, als sie jene roten, sehr großen Schlachthaufen sahen, durcheinandergewühlt. Und es verursachte ihnen Kummer und Trübsal, und sie wunderten sich über die riesigen Eichen(schiffe) mit Segelmast und die Abfahrt, die von ihnen vor sich ging. Und sie wußten nicht, was für eine Zurichtung darauf war. Sie waren dort die Nacht hindurch, bis der nächste Tag kam. Und sie bemerkten, wie sich Raben und Krähen und Vogelscharen der Luft zahlreich auf den schönen, hellhäutigen, hohen Leichen niederließen, in der Insel, auf den Schiffsrändern. ‘Sicher’, sprachen sie, ‘es gibt keinen Menschen auf der Insel, noch in jenen Schiffen dort, wenn darin die Vögel und geflügelten Scharen sind. Auf! werfen wir uns in die kleinen Nachen, die wir haben, um die Insel auszukundschaften.’

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Und sie taten also und gingen, die Insel zu durchforschen,


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und sie durchsuchten sie. Sie fanden das gewaltige Gemetzel und die blutroten Leichen. Sie fanden keine lebende Seele darin, noch in den Schiffen. Und da sie nichts fanden, gingen sie die Schiffe aufzusuchen und brachten davon eine große Menge mit sich hinaus übers Meer, zu dem großen Heerhaufen. Und sie erzählten ihnen, wie es auf der Insel war. ‘Wir werden nun gehen, sie zu durchforschen’, sagten sie. Und sie machten sich nun auf und gingen in die Schiffe. Und sie landeten in der Bucht und Hafeneinfahrt der Insel. ‘Zerstreut euch nun nochmals über die Insel, und durchsucht sie’, sagte der König von Irland, ‘nach der Person, die jene Taten vollbracht, nämlich mein Sohn. Und ich weiß wohl, hier gibt's von ihnen eine Menge Verstümmelter und Körper, die durchstochen sind, und mir scheint, er lebt nicht mehr.’ Und er sang das Lied hier:
    1. Zahlreich sind die Heldentaten meines Sohnes,
      er pflegte oft etwas Treffliches zu vollbringen.
      Hart (wäre es), wenn er hier gefallen wäre,
      nachdem er die Edlen Lochlanns getötet hatte.

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    3. Eure Hände mögen ihre Waffen ergreifen!
      Tut um euch ihre erbeutete Ausrüstung!
      Daß wir wissen, ob jene zahlreicher sind,
      oder was durch ihn fiel von ihren Niedermetzelungen.
    4. Laßt uns das Schlachtfeld selber durchsuchen
      nach Nuada, dessen Verstand groß war,
      damit wir ihn mit uns bringen nach Brugh!
      Gebührend wäre es, ihn dort zu begraben.
    5. Sucht hier, königliche Pagen!
      Ihr werdet erfahren, welches sein Ende ist.
      Hier bei diesen (?) Häfen,
      in denen eine große Zahl Leichen ist.

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Danach erhoben sich alle und gingen über die Insel hin. Sie durchsuchten sorgfältig die Schlachtfelder, und sie wandten die schönen Körper der Helden häufig um, sie zu prüfen. Und sie fanden den Königssohn von Lochlann, wie er getötet war und ergriffen ihn sofort und sprachen: ‘Hier ist Nuada, den wir gesucht haben.’ Und ein anderer meinte,


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daß er's nicht wäre. Sie drehten den Körper danach um und fanden den Gürtel des irischen Königssohnes und seinen hübschen seidenen Leibrock um ihn. Und danach waren sie sicher, daß das Nuada war. Und die Kunde gelangte zum Irenkönig.

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Und der König mit den Edelleuten von Irland um sich herum gelangte zu dem Leichnam. Und die Heerscharen stießen heulend drei rasche zornige Aufschreie über ihm aus. Es wäre ihnen lieber gewesen, wenn die Hälfte der Männer von Irland getötet worden wäre, als Nuada allein.

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Hierauf sprach der König von Irland: ‘Laßt uns umschauen’, sagte er, ‘wer mehr ist — wir, die hier lebendig sind, oder die Zahl, die mein Sohn an Lochlann-Männern getötet hat. Und ich meine doch, es ist hier eine ganz große Menge irischer Männer versammelt.’ Und sie taten also. Und nicht mehr als halb soviel von dem, was tot war, gab es an irischen Männern, die da lebten — so groß war das Blutbad ‘Das ist ein großes Handgemenge für einen einzigen Menschen, Krieger’, sprach der irische König, ‘und es werden unter euch die Schiffe recht und billig verteilt, wie ihr die Waffen und Ausrüstung teiltet. Und hebt meinen Sohn auf (und bringt ihn) nach der bunten, lichten Burg am Boyne,


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damit er dort unter dem Erdwall beigesetzt werde. Und die Scharen ringsherum mögen sich aufmachen, mit den Schiffen. Und ich will zusammen mit meinem Sohn gehen.’ Und so geschah es.

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Und sie verließen darauf die Insel und nahmen den Leichnam mit nach dem Rasenplatz der Burg. Und die Kunde davon gelangte nach Tara und über ganz Irland. Und sie versammelten sich alle aus jeder Himmelsrichtung nach der Burg am Boyne. Es kam aber auch die einzige Tochter, die der Irenkönig besaß, dorthin, nämlich Nuadas Schwester. Und sie kam sogleich und nahm Nuadas Haupt in ihren Schoß und hob sehr schwermütige Klagen an um ihn, weh und bitter. Und sie bat den Irenkönig und alle irischen Männer, sie selbst mit ihm zu begraben.

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Darauf ward ein Rasengrab ausgeworfen für den Jüngling, und er ward sodann sanft niedergelegt. Und der König kam auf die Höhe des Hügels und begann eine Klage anzustimmen. Und dies sprach er: ‘Wehe uns, mein Sohn!’ sprach er, ‘Unser Zorn und Hochmut traf ihn, dem dies Grab gehört.’ Und er sprach das folgende Lied:[...]


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Darauf zerstreuten sich die irischen Männer in ihre Festungen und in ihre trefflichen Heimstätten, und der König von Irland ging nach Tara und seine Tochter mit ihm, und sie waren trübselig und niedergedrückt.

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Darauf kamen irische Männer, um den König aufzusuchen und sagten ihm, er solle das Weib, das er genommen, die das große übel verschuldet, von sich weisen. ‘Nein’, sprach er, ‘auf daß es mir nicht an meiner Frau und meinem Sohn (zugleich) mangelt.’ Und er schlug es ihnen ab, sie zu verstoßen. Soweit das Geschick jener beiden.

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Was nun Nuada betrifft, (so ist zu berichten), wie er segelnd zu dem Lande kam, das Dänemark genannt wird, und nach Spanien ging und zweitausendzehn Mann tötete und mit Großkönigen und Söldnern kämpfte und die Tochter Eolargs zur Frau nahm, nämlich die dänische Königstochter, und wie er nach Deutschland ging und Polus ergriff, den Sohn des Polus, des deutschen Königs und seine dreißig Söhne tötete außer einem allein, und wie er hierauf die Oberherrschaft über Deutschland übernahm.

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Und er forderte darauf seine Heerscharen auf, sich am Meer zu versammeln und den römischen König dabei.


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Und sie folgten ihm alle untertänig nach Hause, nach Deutschland, und sie gaben ihm die Herrschaft. Und er nahm die ganze Schar mit sich nach Spanien. Und der spanische König ließ ihn nicht ein, sondern kam ihm entgegen und unterwarf sich ihm. Und nach einem Jahr nahm er eine Kampfschar mit sich, um Irland aufzusuchen. Und der Irenkönig kam zum Hafen, sich ihm zu unterwerfen und . . . sprach: ‘Bis wir wissen, wer euer Oberkönig ist, werden wir euch keine Unterpfänder geben.’ Und alle Könige erwiderten: ‘Unter uns ist kaum einer, der es weiß’, sagten sie. ‘Ich werde mich selbst euch nennen’, sagte Nuada, ‘und ich werde euch meine wahre Geschichte erzählen.’ Und er sprach: ‘Ich bin Nuada Find Feimin und verließ Irland vor meinem Vater.’ Und er berichtete seine Erlebnisse von Anfang bis Ende, und er zog darauf in Irland ein. Und die irischen Männer fanden jene Geschichte wunderbar, und jeder hieß ihn willkommen, und jene Länder, die er auf Grund seiner Kraft und Stärke erobert hatte, gehorchten ihm, und er ergriff sodann die Königsherrschaft.