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Die Geschichte des Nuada Find Femin (Author: Unknown)

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section 1

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Ein edler, angesehener König ergriff die Herrschaft der Provinz Connaught, nämlich Giallchad, der Sohn des Ailill Eolchán, und der König hatte nur einen Bruder und einen einzigen Sohn. Ailill war auch der Name des Bruders und Nuada der Name des Sohnes. Der Bruder des Königs fiel aber in Irrus Domhnann gegen die neun Coin, die zu den Letzten der Fir Bolg gehörten; und auch der Sohn fiel gegen die sieben Duinn aus der Provinz Leinster. Sie alle waren Piraten und Plünderer, und der König von Irland jener Zeit war E(dh)leme mac Conrach vom Geschlechte Emers (Ebers).


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Was nun Giallchad betrifft, so war er kummervoll und niedergeschlagen nach Verlust seines Sohnes und seines Bruders. Dies war dieses Königs Gattin, nämlich Eithne, die Tochter des Dare mac Fergusa, des Königs von Ulster. Es geschah nunmehr, daß jene Königin schwanger ward, und sie gebar einen Sohn, und es wurde ihm Nuada als Name gegeben in Erinnerung an den ersten Sohn.

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Es erhob sich aber ein Krieg und Kampfaufstand zwischen Giallchad und dem König von Irland, nämlich Edleme mac Conrach, und eine harte Schlacht ward zwischen ihnen gekämpft, nämlich die Schlacht beim Shannon mit dem grünen Gewässer, und der König von Irland fiel dort durch Giallchad mac Ailella. Der Stamm von ganz Emer erlitt ein gewaltiges Blutbad, und sie wurden über das Gewässer der Schlacht geworfen, nach Süden zu, und nach ihrem Zusammenbruch in der Schlacht übernahm Giallchad das Reich von Irland, und die gesamte Macht darüber wurde ihm zugebilligt. Er bekam alsdann seine Tributpfänder und brachte sie nach Tara. Dort ließ er sich nieder.

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So stark war nun sein Herrschertum und so gewaltig seine Macht(?), daß seine Erbfeinde oder Gegner des Oberkönigtums es nicht in Irland ertrugen, ohne nach Tara zu


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kommen, um ihm zu Willen zu sein, nämlich die sieben Duinn die seinen Sohn getötet hatten und die neun Coin, durch die sein Bruder gefallen war. Der König versprach, sie trotz ihrer großen Schuld nicht zu töten, da sie sich von selbst ergeben hätten, ‘und sie sollen von mir ehrenhaften Empfang und Unterhalt in meiner Gefolgschaft in Ehren und Ansehen haben’. Und dies gefiel ihnen wohl. Und so war es Friede.

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Was nun die Tochter des Ulsterkönigs betrifft, die Genossin des Königs, so geschah ihr, daß sie beschwerlich schwanger wurde, und es kamen dann die Anfälle der Wehen und heftige Not über die Frau. Sie gebar eine Tochter. Sie wurde Sláine genannt. Die Mutter des Mädchens stöhnte vor Leiden. Drei Monate nach Geburt der Tochter ereilte sie ihr Tod und tragisches Ende.

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Den König befiel nun Schmerz um die Genossin derart, daß er widerstandslos krank wurde. Er gab den Auftrag, ihm seinen einzigen Sohn zu bringen, damit ihm der seinen Kummer bezwang und die Natur aufrichtete. Dieser Sohn ward in Findmagh Femin abgesondert erzogen, so daß er danach den Beinamen Nuada Find Feimin hat. Ein anderer Name von ihm ist noch Nuada Find Fáil. Alsdann zum König


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gebracht, zog ihn der bei sich in einem Bett auf. Davon ward sein Gemüt erhoben und seine Natur aufgerichtet, so daß er wieder gesund ward.

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Dann redete man auf den König ein, daß er nun eine ihm würdige Frau werbe. Er indes meinte, eine ihm würdige Genossin sei ihm nicht bekannt. ‘Aber mir ist eine bekannt’, sprach einer von seinen Leuten, ‘eine dir würdige Frau, nämlich eine Jungfrau von alles übertreffender Gestalt, Form und Anmut, von Beredsamkeit und Redekunst, nämlich Uane, die schöne, vielseitige, die Tochter von Fergus vom Meer, dem Leinsterkönig.’

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Nun schickte er auf Werbung aus, und zwar waren es die sieben Duinn, die das unternahmen; denn ihre Schwester hatte das Mädchen erzogen. Und sie warben nun beim König von Leinster um seine Tochter und erbaten sie als Genossin des Oberkönigs von Irland; und er sagte sie ihnen zu, und betreffs der Jungfrau wurden sodann Sicherheiten und Verträge geschlossen. Darauf wurde sie ihnen nach Tara mitgegeben, mit einer Fülle von Gold und Schätzen, und ihre Pflegemutter begleitete sie, nämlich die Schwester der Duinn. Zum Hochzeitsfest ward ihnen ein Bankett gegeben, und die Dichterkaste von Irland wurde beschenkt.


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Es ward aber das Lager des Königs bereitet, und es ging der König und die junge Königin und Nuada, sein Sohn, und die Pflegemutter der Frau . . .. So waren sie eine lange Zeit. Und der König und die junge Frau liebten einander, und er hielt sie in Ehre und Ansehen. Und Nuada ging zu der Zeit nicht in das gleiche Bett mit ihnen. Die junge Frau und Nuada hatten ein Alter.

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Nuada wurde einmal neben seinem Vater und ein andres Mal neben der jungen Frau gebettet.

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Das Mädchen wuchs und gedieh, so daß von den Königinnen der Welt kein Weib schöner an Ansehen und Wohlgestalt war als sie. Nuada wuchs und gedieh, so daß in Irland nicht seinesgleichen war an Gestalt, an Form und Bildung, an Größe, an Reitkunst, an Sitte, an Kraft, an Heldenhaftigkeit. Was die Last anbetrifft, die er auf seine Schulter hob, so wurde niemand in Tara gefunden, der zwischen ihr und dem Boden hätte durchpusten können, und mit dem Mittelfinger seiner rechten Faust streckte er jeden Helden.

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Sein Ruhm und Ansehen wuchs alsdann, und dies sagten alle, daß Nuada der einzige wäre, der seiner Zeit der Stärkste an Kraft in Irland.


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Als nun die Pflegemutter der jungen Frau dies gehört hatte, sprach sie also: ‘Jene Kraft des Nuada wird mir übles bringen’, so sprach sie, ‘denn er wird meine sieben Brüder töten von wegen seines Bruders, der durch sie fiel. Und ich werde alsdann aus Kummer um sie sterben.’ Und sie sann darüber, wie sie seinem Vater Haß und starken Abscheu gegen ihn einflößen könnte. Und dies (tat sie): sie ging, die Tochter des Königs von Leinster aufzusuchen, und dies sagte sie zu ihr: ‘Weib’, sprach sie, ‘obgleich der Gatte, der dich hat, gut ist, so ist er dir nicht angemessen und gleichen Alters mit dir. Aber der junge, schöne, vielseitige Sohn da, welchen er hat, der starke Nuada, wäre dir gewachsen und passender.’

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‘Sehr unrecht ist, was du da sagst’, sprach die junge Frau, ‘denn wenn auch ich es wäre, die hierin willigte, so täte es doch Nuada nicht. Und es wäre unrecht von mir, es zu tun, da der Gatte, bei dem ich bin, gut ist, und es ist nicht ehrenhaft gegen ihn, zu seinem Schaden zu handeln.’

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Also bat die Pflegemutter die junge Frau betreffs Nuada andauernd, ein volles Jahr lang. Nach Verlauf eines Jahres willigte sie ein, ihrer Pflegerin den Willen zu tun.

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Eines Tages, am Ende jenes Jahres nahm Nuada die


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Kriegswaffen in die Hand, und als er sie ergriffen hatte, gesellte sich ein Druide des Königs, nämlich der Druide Diurbartach zu ihm und sprach zu ihm: ‘Ist es heute, daß du die Kriegerwaffen genommen hast, Jüngling?’ sprach er. ‘Ja’, sagte Nuada. ‘Gut ist das Vorzeichen, in dem du sie nahmst’, sprach der Druide. ‘Warum scheint es dir so?’ fragte Nuada. ‘Das ist's, was es bedeutet’, sagte der Druide. ‘Wenn es Kampf gibt und du hast diese Waffen an dir, bist du es, den man zuerst verwundet, dann wirst du nicht mehr länger als eine Stunde leben. Wenn du es bist, der jemand verwundet, wird dein Ruhm und deine Ehre bis ans Ende der Welt fortdauern, und es gibt von den Waffen der Welt nicht eine, die dich bis ans Ende deines Lebens verletzen kann, und dein Leben wird noch eine sehr lange Zeitspanne sein.’

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Was das junge Weib und seine Pflegemutter betrifft, so baten sie Nuada andauernd, mit der Königin zu schlafen, und Nuada verweigerte es ihnen darauf und sagte dies, er wolle seinem Vater keine Schande antun, noch sich selbst Unehre, und ob ihm dafür das Gold der Welt gegeben würde.

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In jener Zeit noch wurde den Edlen Irlands durch den einen König das Fest zu Tara bereitet. Und nach Genuß jenes Gastmahls geschah es, daß sich die Königin und ihre


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Pflegemutter zu einem einsamen Gemach begaben, zum Waschen und Baden. Und es geschah, daß Nuada zu ihnen in jenes Gemach ging. Und die Frauen baten ihn wiederum, und Nuada wies sie zurück. Und sie sangen untereinander das Lied hier:
    1. Nuada, mich heut Nacht abzuweisen
      und mich allein zu lassen!
      Durch diese gewaltige unfreundliche Tat
      wird sein Leben (zu Ende) kommen.
    2. O Tochter des leuchtenden Königs der Galéoin,
      sprich nicht etwas, das eine Gefahr ist,
      das Stelldichein, wozu du mich bereden willst,
      will ich nicht einhalten, solange ich lebe.
    3. Nicht ist's ziemend für die Altersgenossin,
      einem Feigling Liebe zu gewähren,
      und daß ich bei ihm weilen soll zu seiner Rechten
      und ohne daß ich von ihm in sein Bett gebracht werde.

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    5. Ich liebte dich nun
      anstatt deines Vaters, Nuada.
      Scheint es dir nicht elend, dies Geschick,
      das mir von dir auferlegt ist?
    6. Möge nicht zerstört werden unsre geschwisterliche Erziehung,
      in der wir edel erzogen wurden.
      Nicht würde unsre Gemeinschaft lange dauern
      (zwischen) dir und mir, Nuada.
    7. Nuada.

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Als das Weib dies vernommen hatte, schloß sie ihre beiden Hände um Nuada und versuchte, ihn zu überwältigen, und Nuada widerstand dem. Und er gab ihr einen heftigen, tüchtigen Schlag, so daß sie mit der Seite zu Boden schlug. Und darauf ging er von ihr fort und aus dem Haus.

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Er begab sich geradeswegs aus Tara hinaus.

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Die Pflegemutter sprach: ‘Nach meiner Meinung verließ dich der Bursche schmachvoll, junge Frau’, sprach sie, ‘und räche es an ihm!’ ‘Wie kann ich mich an ihm rächen?’ fragte das Weib. Die Alte sagte: ‘Löse das lange, goldene


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Haar, das um dein Haupt (geschlungen ist) und tu Blut und starkes Rot über deine Nase und dein Angesicht, und erhebe dich, um den König in dieser Verfassung aufzusuchen, und erzähl ihm, daß sein Sohn dich vergewaltigte, und wenn es einen Grund zu Nuadas Tod durch ein Ereignis auf Erden gäbe, dann geschieht es hierdurch. Und räche die Beschimpfung und Verachtung, die also über dich gebracht wurde.’

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Darauf kam der König und erblickte Zeichen des Kummers auf dem Gesicht des Weibes. Und er fragte nach seiner Ursache. Die Königin sprach: ‘Dein roher, töricht sprechender Sohn bestürmte mich das ganze Jahr lang. Und da ich nicht willig war, überwältigte er mich und zerstörte deine Ehre.’ ‘Erlogen ist die Tat, die du erzählst’, sprach der König. ‘So ist also ein Krieger, der ehrlos und schwächlich, der nicht fähig ist, ihm widerfahrenes übel noch Unrecht zu rächen’, sprach das Weib.

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Da erhob sich im König ein starker, gewaltiger Zorn, und die drei heftigen Überwallungen überliefen ihn, nämlich die Aufwallung des Zornes, die der Eifersucht und die der Unkenntnis, wie die Weiber ihn so aufreizten. Er erhob sich alsdann und begab sich hinüber ins Haus, in dem sein Gefolge weilte. Und


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er sagte zu ihnen: ‘Erhebt euch flink (wie) ein Mann, um euch hinter Nuada herzumachen und tötet ihn stracks.’ ‘Uns scheint sicher’, sagte einer, ‘die Tat ist eine ungeheuerliche, wegen der du uns anbefiehlst, deinen einzigen Sohn zu vernichten, . . . wenn nicht, werdet ihr durch mich getötet.’ Und er sagte das Lied hier:
    1. Erhebt euch, ihr Scharen von Tara,
      tötet den Sohn eures Herrn,
      Nicht tat er eine besonnene Tat:
      (nämlich) beschimpft wurde ich betreffs meines Weibes.
    2. Groß muß die Tat sein, die dich veranlaßt,
      uns zu schicken, deinen einzigen Sohn zu töten.
      Denn du bist ohne einen andern Sohn.
      Es wird für dich eine Ursache zur Reue sein.
    3. Hört ihr nicht, was ich sage,
      daß er gänzlich hingestreckt werden soll?
      Für euch ist's (doch) kein Verwandtenmord!
      Auf, ihn zu verfolgen! Erhebt euch!


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Die Schar erhob sich nun beim Aufruf des Königs, und sie ergriffen ihre starken gewaltigen Waffen und zogen nach Tara, südwärts, hinter Nuada her. Als der die Scharen erblickte, wie sie ihre Waffen gepackt hielten, drehte er sich zurück nach seinen Waffen, und jemand begegnete ihm, und er fragte ihn nach den Ereignissen, und der erzählte ihm, daß sie alle in Gemeinschaft darauf aus waren, ihn zu töten und zu vernichten. ‘Traurig ist, was du erzählst, Krieger’, sprach Nuada, ‘und warum zürnt ihr mir?’ ‘Nicht weiß ich das’, sprach der Kämpe.

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Nuada kam zu seinen Waffen und packte sie, und er verließ den Ort nordwärts (sich wendend). Als nun die Stämme von Ír und Émer ihn sahen, stachelte einer den andern an, und sie gedachten ihrer alten und neuen Streitursachen gegen Nuada, denn von Éremóns Sippe war kein König oder Heros geblieben, der besser gewesen wäre, als Nuada. Traurig und niedergeschlagen war der Stamm Éremóns und das Volk der Provinz Connaught deswegen. Und Nuada ging, sich seinem schnellen Lauf vertrauend, nach Tara, bis er an das Ufer der Boyne gelangte, so daß keiner von ihnen ihn überholte.


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Dann hatten ihn dreimal neun Mann ein, und sie riefen über ihn und gelobten seinen Tod, und sie schleuderten mit ihren Waffen nach ihm. Nuada jedoch drehte sich schnell und höchst geschickt zu ihnen und widersetzte sich ihnen so gewaltig und tapfer und so wütend und heldenhaft, und er lieferte ihnen einen scharfen Kampf, so daß von ihnen keiner mit dem Leben entrann, nur die drei durch und durch Verwundeten, die sich in ihrer Niederlage heimlich zurückzogen, und eine große Anzahl von den Haufen ward gemütskrank, als sie sahen, in welcher Not er sich befand. Ein anderer Teil von ihnen hatte den Wunsch und Willen, ihn sogleich zu töten.

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Was nun aber den König betraf, so hetzte er, was er an Mannschaften in ganz Tara fand, hinter Nuada her. Und es stießen die sieben Duinn und die neun Coin zu ihm und hundert bewaffnete Mann bei jedem einzelnen von ihnen, und er feuerte sie an und er legt ihnen auf, Nuada zu töten und erzählte ihnen die Beschimpfung der Königin durch ihn und ‘es steht euch zu, meine Ehre zu rächen’ und alle zogen wiederum hinter Nuada her.

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Es kamen nun die drei, die in den Kampf gegangen waren bis zum Anger von Tara. Und der Druide


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Diurbartach gesellte sich zu ihnen und sagte ihnen: ‘Ist's Nuada, der euch verletzte?’ sprach er. — ‘Er ist's, der dreimal neun Mann außer uns allein getötet hat!’ — ‘Bei meinem Gewissen’, sprach der Druide, ‘er wird eine Zahl töten, die noch mehr sein wird; denn die Luft über ihm ist auf jedem Wege sehr rot und blutig und vor ihm wird Niederlage sein’, sprach der Druide.

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Was nun Nuada betrifft, so wagten sie nichts gegen ihn, noch ließ man sich mit ihm ein, außer daß Schlachthaufen oder Hunderte gegen ihn auf einmal geworfen wurden, und er begab sich alsbald fort von der Mündung der weißleuchtenden Boyne. Und so ging er nach Dumha na Macraide, das Echann genannt wird und nach Cathair Tibrini, das heut das königliche Cenanndas heißt und nach Finnabann Bó Gúaire, der Mana genannt ist und nach Loch Láogaire nordwärts und in die Berge von Dee, die Gnaires Bergkette heißen. Und zahllos war, was bis dahin an Scharen durch ihn fiel, und zahlreiche Scharen gingen von ihm nach Tara, verwundet und verkrüppelt.

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Der König von Irland machte sich selbst auf, und seine Pferde wurden ihm gebracht und sein Wagen angespannt,


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und er begab sich auf die Verfolgung seines Sohnes, und die Männer von Irland mit ihm zusammen.

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Was aber Nuada betrifft, so gelangte er sodann weiter über die Stromgewässer des Feaba im ‘Gelände zwischen den beiden Flüssen’ und nach Findmag nGabra und über den alten Fluß, der da heißt Mönchsfluß und nach Duma mac Éremóin, das Cnucca genannt wird und nach Senmag nOgla Figda, das ‘das dunkle Tal’ heißt, und die Scharen waren vor ihm und hinter ihm und zu jeder Seite von ihm bis Dubais, und er wandte sein Gesicht nach der Ebene des Ith mac Breogain.

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Und dort holten ihn die neun Coin mit ihren neunhundert ein. — ‘Das ist tapfer, Nuada’, sprachen sie, ‘da gibt's eine Menge hingemordeter Helden und verwundete und verstümmelte Scharen seit der furchtbaren Niederlage, die du uns auf dem Wege von Tara beibrachtest.’ — ‘Bei meinem Gewissen’, sagte Nuada, ‘so sehr fühlte ich den Hals um mich herum!’ sprach er, ‘und ich weiß nicht, warum ihr gegen mich seid.’ — ‘In einer großen Ursache!’ sagten sie. ‘Die Frau deines Vaters ist durch dich vergewaltigt.’ — ‘Bei meinem Gewissen, fürwahr!’ sprach Nuada, ‘es ist nicht der Kampf eines Sohnes, der den väterlichen Zorn heraufbeschworen hat,


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den ich bisher gekämpft habe, und jene Tat ist erlogen’, entgegnete er(?). — ‘Wenn's so ist’, sagten sie, ‘bleib bei uns, ergib dich uns und nimm unsern Schutz an. Man wird dich der Gewalt deines Vaters übergeben.’ — ‘Bei meinem Wort, wahrhaftig!’ sagte er. ‘Erst bis der König meinem Wort glaubt, und bis ihrs alle glaubt, daß jene Tat erlogen ist, (eher) werde ich nicht irgendeinem von euch Vertrauen schenken.’ — ‘Das wirst du bereuen’, sagten sie, ‘denn du wirst nicht leben bleiben wegen der Schuldtat, die du begingst.’ — ‘Wenn es ehrliche Kämpfe für mich sind’, sprach er, ‘dann, bei meinem Wort, ist's nicht an euch, mich erst zu fragen, und warum eigentlich seid ihr mir böse, ihr Helden’, sagte er. Und er sprach das folgende Lied hier:
    1. O Coin, warum zürnt ihr mir,
      indem ihr euren Zwist neu entfacht?
      obgleich ihr den großen Art1 getötet habt,
      gegen euch wollte ich nicht Kampf.
    2. O Nuada, sage das nicht,
      (es wird) eine Tat des Triumphes und grausamer Verwundung,

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      da wir dich nicht mit Willen fortlassen,
      wie du bist mit deiner großen Kraft.
    3. Ich sage euch nun —
      und dies ist ein ehrliches Wort —
      daß ihr kein Glück haben werdet,
      wenn ihr auf mich los geht, o Coin.
‘Werdet ihr mir ehrlich einen Kampf gewähren’, fragte Nuada. — ‘Es wäre nicht Gerechtigkeit, würde es nicht gewährt’, sagten sie. ‘Man wird es dir zubilligen.’

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Ein Mann von ihnen machte sich sofort zu ihm auf, und am Ende des Kampfes gab ihm Nuada einen Hieb, so daß er ihm mit jenem Hieb den Kopf abschlug samt einem Drittel seines länglich gespitzten, gekerbten Schildes. ‘Meiner Treu, wahrhaftig’, sagten sie, ‘wunderbar ist die Tat des jungen bartlosen Jünglings’, so sagten sie. ‘Ich werde mich an ihn machen’, sagte ein andrer Mann von ihnen, ‘sobald ich Schild an Schild gegen ihn halten werde, laß auf einmal neun Mann von euch auf ihn gehen, und jedes Mannes Lanze durchstoße ihn, und so wird er fallen.’


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Was aber geschah, war, daß jener Mann zu ihm ging und ihm den Schild an seinen Schild hielt, und neun Mann seiner Sippe erhoben sich gemeinsam gegen ihn, und sie führten einen wütigen, heldenhaften Wettkampf aus, schnell und plötzlich und sehr behende. Und am Ausgang des Kampfes fiel jener Mann mit seinen Leuten von Nuadas Hand. Und zwei andre von ihnen erhoben sich sogleich, und sie sagten dies: ‘Laßt uns gehen und zweimal neun Mann mit uns, um ihm zu begegnen, und wenn wir durch ihn bei dem Waffengang fallen, erhebt euch alle gegen ihn und überwältigt ihn durch übermacht.’2 Und jene zwei fochten darauf lange Zeit einen starken, heldenhaften Wettkampf gegen Nuada, und gemeinsam mit ihnen ihre zweimal neun Mann. Und sie fielen durch Nuada, ohne daß sich an ihm ein Blutverlust oder eine Verletzung fand.

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Es erhoben sich nun zwei andere davon und dreißig Helden mit jedem, und sie schossen auf einmal auf ihn und schrieen um ihn von allen Seiten, und Nuada bekämpfte sie so kräftig und feindselig, stark und heldenhaft, wütend und überaus tapfer, daß alle am Ende jenes Kampfes durch ihn fielen.


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Was aber geschah, war, daß sich überhaupt alle Scharen erhoben, um ihn anzugreifen, und man schrie auf jeder Seite. Nuada sprang unter sie mit der Geschwindigkeit einer Schwalbe oder eines Hirsches oder Wiesels. Und er arbeitete mit seinen Händen und teilte so vernichtende Hiebe aus, und sein Gesicht flammte und leuchtete, so daß es nicht möglich war für irgendeinen, nahe seinem Angesicht zu weilen, so kräftig hieb er nämlich auf die Heldenscharen ein. Der Mann, der da versuchte, Nuada eine Verwundung oder einen Streich auszuteilen, versetzte das dem, der ihm von den eigenen Leuten am nächsten war, so daß ein gut Teil von ihnen auf die Weise getötet wurde. Darauf hieb Nuada sich einen breiten tüchtigen Weg zwischen ihnen, lichtete sie und preiste sie dann wieder aufeinander. Und obschon sie am gierigsten auf Flucht sannen, wagten sie es nicht (aus Furcht) vor Nuada. Er vernichtete sie vollständig.

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Nun aber dort, wo sich die neun Coin mit ihren neunhundert zusammen im Kampfe befanden, dort kam kein Mensch vor Nuada mit dem Leben davon, außer daß gerade ein Mann der Schärfe einer Verwundung oder eines Hiebes entging, so daß der Name des Ortes, wo sie fielen, hinterher die Bergschlucht der Ruhestätten der Coin war. Und Nuada entkam vor ihnen ohne Blutverlust, ohne eine Verletzung


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seinerseits und wandte alsdann sein Angesicht auf den Finnsruth Finne zu nordwestlich.

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Was nun jedoch den König betrifft, so erreichte er und die Könige von Irland um ihn die Schlucht, wo sich die neun Coin befunden hatten. Dem König wäre es lieber gewesen, dort das Haupt seines Sohnes in Empfang zu nehmen, statt die Niederlage der Coin. ‘Dies ist die Schlacht eines Helden!’ sprach der Adel der irischen Männer, ‘und es ist eines Helden Geschicklichkeit’, sprachen sie.

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Was darauf Nuada betrifft, so gelangte er an den Ort, wo die sieben Duinn waren zusammen mit ihren siebenhundert, und sie gingen gerade auf die Suche nach ihm, und so trafen sie aufeinander. ‘Es ist ein blutiger Kampf von Helden und Kämpfern’, sprachen sie, ‘und ein großer Teil irischer Männer fiel durch dich.’ ‘So ist's, wenn man im Recht ist’, gab Nuada zurück, ‘dann siegt man auf allen Seiten.’ ‘Jüngling’, sprachen sie, ‘wenn du im Recht bist, bleibe bei uns und übergib dich deinem Vater.’


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‘Ich übergebe mich nicht meinem Vater’, sagte er ‘bis er glaubt, daß ich im Recht bin.’ ‘Haben die Coin dich ergriffen, Nuada?’ fragten sie. ‘Wenn sie's getan hätten’, sprach er, ‘so hätte ich nicht gegen ihren Willen entkommen können.’ ‘Es ist der Vorteil . . ., und Nachlässigkeit der Verfolgung ist's, die sich die Coin dir gegenüber zuschulden kommen ließen’ sagten sie. Und sie sangen sodann das Lied:
    1. Königssohn! Scharf sind die Taten,
      die durch dich vollbracht wurden in Leitrim,
      wo durch dich — es bleibt nicht verborgen —
      eine Unmenge Heere und Scharen fielen.
    2. So pflegt ein tapfrer, flinker Held zu sein
      im Kampf mit Helden und Heerhaufen,
      obgleich viele von ihnen um ihn herum sind,
      da er ja selber im Recht ist!
    3. Nicht dies hat es bewirkt,
      sondern die Coin ließen im Stich

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      die Ehre des Königs von Tara,
      von dir, Jüngling, Herr.
    4. Wenn mich die Männer ergriffen hätten,
      jene Leuchten der Tapferkeit,
      wäre es nie mit Willen der Schar gewesen,
      daß ich jeden überragend gegen eine Schlachtreihe stünde.
    5. Obwohl die Männer im Stich ließen
      die Ehre des tatenreichen Königs von Irland
      werden wir ihn nicht im Handgemenge verlassen.
      Du bist's, der sterben wird.

      Jüngling.

‘Und obwohl die Coin dich von sich ließen, werden wir es nicht zulassen.’ ‘O Krieger’, sprach er, ‘gewährt ihr mir Einzelkampf?’ fragte er. ‘Wir werden es tun’, sprachen sie, ‘und mit großer Bereitwilligkeit.’

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Also erhoben sie sich, und ein Donn von den Duinn(scharen) machte sich an ihn heran, und einen blutigen, heldenmütigen


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Kampf kämpften sie für eine Weile und Zeit lang, und am Ende des Kampfes war es, daß jener Mann von Nuadas Hand fiel. Als die Sippe jenes Mannes es sah, erhoben sie sich, um ihn sofort zu rächen, nämlich hundert Helden, und sie kämpften einen Kampf gegen Nuada, und er ging unter sie, und jene Helden fielen durch ihn, so daß von ihnen kein Flüchtling mit dem Leben davonkam. ‘Da sie durch dich gefallen sind’, sagten sie, ‘so nimm einen Mann mit seiner Schar gegen dich.’ ‘Tut es!’ sagte er.

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Da erhob sich der zweite Donn von ihnen mit seiner Gefolgschaft, und sie kämpften gegen Nuada. Und jener Donn fiel durch ihn mit seiner Hundertschaft. Danach erhoben sich aber zwei andere von ihnen mit ihren zweihundert, ihm entgegen zu ziehen, und sie schlugen einen wahnsinnigen Kampf, und die zweihundert fielen mit ihrem Führer. Es erhoben sich drei Duinn gegen ihn mit ihren dreihundert, und jene fielen durch Nuada, ohne daß ein Flüchtling von ihnen mit dem Leben entkam.

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Nun aber, es entwich keiner mit dem Leben von den siebenhundert und von den sieben Duinn, so daß der Name


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des Ortes ist ‘die Halde der Duinn’ — heute genannt Leiter Mhulach. Und darauf wandte er das Gesicht nordwärts, und er ging nach Uachtar Glinne, und linker Hand war Ath tri nDiad.

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Und sodann erreichte der König den Ort, wo die gefallenen Duinnscharen sich befanden. Sie erblickten das gewaltig große Blutbad und die roten Leiber im Leichenblut. ‘Meiner Treu!’ sprach der Adel irischer Männer, ‘der dies Blutbad anrichtete, hat nicht die Tat begangen, deren man ihn beschuldigt. Und es ist wahr, was er sagt, wenn er die ihm auferlegte Schuldtat abweist.’ ‘Was immer’, sagte der König, ‘es gilt, ihn zu verfolgen.’ Und er reizte die Schar an, hinter Nuada herzusetzen. Und sie verfolgten ihn heftig und begierig und verteilten sich nach allen Richtungen.

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Als Nuada die Menge der Heerhaufen und der Helmspitzen rundum erblickte, setzte er sich in Bewegung, schnell und wagemutig im tüchtigen Lauf; und er kam geradeswegs zu auf Tri Uachtar mBera und hatte linker Hand den grün-wässerigen Strom, bis er schließlich ans Meer gelangte. Und


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er warf seine schön weißschimmernde Flanke gegen das Branden der starken, großen Wogen und schwamm eifrig durch die salzige Meerflut dahin, bis er Gabla erreichte, welche Innsi Muindteri ßradaighan genannt werden, und die Insel am Westrande von ihnen erreichte er.

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Der König gelangte mit seinen Heerscharen an den Meeresrand und in den Hafen der Insel und begann also: ‘Dies soll keine Zuflucht für dich sein, Nuada’, sagte er, ‘es werden von mir vollbemannte Kriegsschiffe und weitbäuchige Barken und zahlreiche Flotten zu der Insel dort geschafft, und der verwünschte Sohn da soll von mir getötet werden, Nuada nämlich, und durch übermacht wird er überwältigt werden.’

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Was Nuada betrifft, so war er müde, schwach und hungrig, nachdem er die Insel erreicht hatte. Lang war der Weg, den er bis dahin zurückgelegt hatte und der, den er auf der Insel gewandert war. Er erblickte eine Herde gewaltig großer Schweine und Kühe, und die Herde führte ein absonderlich riesenhafter Ochse. Er schleuderte einen geraden treffsicheren Wurf auf den Ochsen, so daß er ihn durchbohrte, tötete ihn sodann und zerlegte ihn. Er baute sich eine sichere, recht feste Hütte und kochte den Ochsen und aß sich genügend


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satt daran. Darauf stellte er seinen großen Kriegsschild vor die Tür der Hütte und steckte seinen leichten Speer zur Seite und sein Schwert unters Kopfende. Und ihn überkam ein Anfall von Schlummer, ohne daß er Furcht oder Grausen empfand.

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Was nun den Druiden des Königs von Irland betrifft, nämlich den Druiden Diurbartach, so wurde ihm jene Tatsache offenbart, wie es damit stand und wie gegen Nuada jene erlogene Anklage erhoben worden war. Und er machte sich auf nach Norden hinter dem König von Irland und seinem Sohne her von Tara aus, bis er den Hafen der Insel erreichte, wo der Irenkönig war und mit seiner Schar den Sohn belagerte und nach Schiffen und Booten verlangte, um zur Insel zu gelangen, damit er den Sohn tötete. Und als der Druide in die Nähe kam, fragte er den König, was er zu tun beliebte. Der König sprach: ‘Gern hätte ich breitbäuchige Barken und schwerbemannte Kriegsschiffe, die dorthin zur Insel tragen, damit Nuada getötet werde.’ — ‘Wirklich, auf mein Wort’, sprach der Druide, ‘obschon heut zahllose Scharen von Nuada getötet wurden, gibt es noch mehr der Ohnmacht der Totgeweihten und blutige Röte über jener Insel da, wo er jetzt weilt, als bisher. Und 'der starke Nuada' wird sein Name’, sagte er, ‘und vom Geschlechte Éremóns kam nicht seinesgleichen, und


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eine Menge wird es sein, die unter (seine) Gewalt gerät. Und erlogen ist die ihm zugelegte Tat.’ Und er sagte das Lied hier:
    1. Nuada, der Starke, trefflich sein . . .
      Sohn des Sohnes von Aillill Eolchán.
      Ein Krieger Europas, dem die Tapferkeit dienstbar,
      eine grimme Welle, welche die Feinde zerschmettert.
    2. Der kühne Löwe, der giftige,
      der Stärkste aller starken Männer.
      Der Schild von Fodla, dessen Grimm nicht schwächlich ist.
      Der Fütterer der Raben und blutrotgeschnäbelten Krähen.
    3. Sohn des Giallchad, tüchtig ist sein Morden,
      wegen der Anklage der schönen Uane,
      wegen des Mädchens . . . des leuchtenden,
      wegen der Frau des kampflustigen Giallchad.
    4. Verhaßt war der Amme der Frau
      jener Jüngling, Giallchads Sohn,
      wegen einer Sache, in der sie im Unrecht war,
      Uane aber war er lieb.

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    6. Vierundneunzig berühmte Könige,
      vom Stamme des Sohnes des Gesetzgebers Giallchad,
      welche von Tara Besitz ergreifen werden mit ihrer Macht,
      für die edlen Nachkommen Nuadas.
    7. Auf Uane zurück geht die Märe,
      daß sie gewaltsam ergriffen worden sei.
      Ein Anfall von Eifersucht hatte den König erfaßt,
      so daß er zornig gegen Nuada wurde.
    8. Schnell fielen die sieben Duinn
      und die neun Coin gemeinsam.
      Ein gewaltiger Haufe — es war keine schwache Tat —
      sie fielen durch Nuada.

      Nuada.