Corpus of Electronic Texts Edition
Die irischen Triaden (nach Kuno Meyer) (Author: unknown)

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Die irischen Triaden

(nach The Triads of Ireland; Edition Kuno Meyer; Todd Lecture Series XIII. Dublin, 1906)

Introduction von Fergus Kelly zu Irish Wisdom Classic Irish Triads, The Appletree Press Ltd., Belfast 1993

Die Anordnung von Ideengut in Dreiergruppen ist altbewährt und praktisch. Folglich finden wir Beispiele der Triadenform in praktisch allen vorliegenden Literaturen, seien sie mündlich oder schriftlich übermittelt. Unter den keltischsprachigen Völkern scheinen Triaden besonders populär gewesen zu sein. Sie waren ein markantes Charakteristikum der einheimischen mündlichen Überlieferung in Irland, Schottland, Wales und in der Bretagne. Viele dieser Triaden waren geistreich, mit einer amüsanten Klimax – oder einer Antiklimax – im dritten Element. Die Technik kann an einer schottisch-gälischen Triade des letzten Jahrhunderts dargestellt werden: ‘Die drei angenehmsten Dinge, die ich je hatte: meine Mutter, mein Heim und meine Geldbörse.’

In vielen irischen Triaden des gleichen Zeitraums finden sich humorvolle Sticheleien über weibliches Benehmen – oder, in einigen Fällen, über die männliche Unfähigkeit, damit zurechtzukommen. Abermals ist das dritte Element eine Antiklimax wie im folgenden Beispiel: ‘Es gibt drei Arten von Männern, die Frauen nicht verstehen: junge Männer, alte Männer und mittelalte Männer.’ Schwiegermütter sind das Ziel von Triaden, die aus vielen Teilen Irlands mündlich überliefert sind: ‘Die drei schärfsten Dinge der Welt: der Blick einer Katze auf eine Maus, der Blick eines Maurers auf einen Stein, der Blick einer Schwiegermutter auf ihre Schwiegertochter.’

Wenn wir weiter in der Zeit zurückgehen, so ist uns in frühen Handschriften aus Irland und Wales eine vergleichbar reiche Überlieferung an Triaden bezeugt. Die wichtigste walisische Sammlung ist in Manuskripten des 13. und 14. Jahrhunderts zu finden. Sie enthält aber Triaden, die viele Jahrhunderte älter sind. Die wichtigste irische Sammlung – aus der die hier vorliegende Auswahl stammt – stammt etwa aus dem 9. Jahrhundert. Sie enthält 214 Triaden, sowie einige Dyaden (zwei Elemente), Tetraden (vier Elemente) und Nonaden (neun Elemente). Eine Übersetzung der vollständigen Sammlung wurde von dem großen deutschen Gelehrten Kuno Meyer 1906 veröffentlicht. Sie ist ist aber schon lange nicht mehr erhältlich. Eine neue Edition wird durch die School of Celtic Studies, Dublin Institute for Advanced Studies, vorbereitet.

Einige dieser Triaden werden aus der mündlichen Tradition des 9. Jahrhunderts stammen. Im allgemeinen aber handelt es sich um eine literarische Ausformung. Vermutlich ist der Großteil das Werk eines einzigen Autors. Sein Ziel war es wohl, die unterschiedlichen Aspekte des Lebens zu beschreiben, wie er es um sich herum sah. Manchmal enthalten seine Betrachtungen keine Moral: Er ist lediglich ein neutraler Aufzeichner natürlicher Erscheinungen oder menschlicher Eigenheiten. Aber des Öfteren nimmt er einen festen ethischen Standpunkt ein und benutzt die Triadenform, um seine Missbilligung von Untugenden wie Gier, Lust, Fresssucht und Faulheit auszudrücken. Insbesondere geißelt er die Verletzung der guten Sitten und der Etikette. Wir können auf diese Weise von ihm lernen, wie sich ein Mensch in der irischen Gesellschaft des 9. Jahrhunderts zu verhalten hatte. Im Gegensatz zu einigen Triaden aus der jüngeren Volkstradition zeigen seine Triaden im allgemeinen Respekt vor der weiblichen Sicht der Dinge. In der Tat drückt eine der in dieser Auswahl enthaltenen Triaden in bemerkenswert sympathischer und empfindsamer Weise das Los der Frauen aus: ‘Drei Tropfen einer verheirateten Frau: ein Blutstropfen, ein Tränentropfen, ein Schweißtropfen.’

Wie bei vielen anderen Moralisten auch sind die Betrachtungen des Autors manchmal eher banal. Er kann jedoch auch prägnant und hintergründig sein. Gerne verknüpft er Bilder aus der Natur mit einigen Aspekten des menschlichen Verhaltens, wie z.B. in: ‘Drei Reichtümer an unwirtlichen Orten: eine Quelle an einem Berg, Feuer aus einem Stein schlagen, Reichtum im Besitz eines knausrigen Mannes.’

Technisch weisen die Triaden eine ganze Anzahl interessanter Punkte auf. Die Triade, die ich gerade erwähnt habe, ist ein Beispiel für einen der beliebtesten Kunstgriffe des Autors; den Gebrauch des Paradoxons. In diesem Falle ist der Autor eindeutig von dem Paradoxon fasziniert, dass sich zwei lebensspendende Elemente – Wasser und Feuer – in scheinbar lebloser Umwelt, wie einem Berg oder einem Stein befinden. Er verbindet diese Idee mit einem weiteren Paradoxon, dem Reichtum eines Mannes, der zu knauserig ist, um mit seinem Reichtum auch anderen Menschen zu nutzen. Ein weiterer Kunstgriff, den der Autor liebt, ist die Anordnung seiner Triaden in kontrastierenden Paaren. Dieses Merkmal kann man an einigen Triaden der vorliegenden Auswahl erkennen, zum Beispiel folgen auf ‘Drei jugendliche Schwestern’ die ‘Drei älteren Schwestern’.

Ich hege keinen Zweifel daran, dass sich der moderne Leser von dieser kleinen Auswahl irischer Triaden sowohl unterhalten als auch zum Denken anregen lässt.

Die Triaden der von Fergus Kelly in Irish Wisdom; Classic Irish Triads aufgeführten Auswahl werden in dieser Gesamtaufstellung mit ‘K’ gekennzeichnet.